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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
57. Jahresband.1977
Seite: 205
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dern erklärte, daß er auf die Verlegung der Pfarrkirche in die Klosterkirche
beharre, weil an Sonntagen oder anderen Tagen, an denen in der Pfarrkirche
gepredigt werde, oft keine vier Mann in der Stadt blieben, was für die Stadt
ein erhebliches Sicherheitsrisiko bedeute. Da es „nun lang Zeit her" sei, daß der
Rat den Pfarrer und seine Helfer unterhalte, solle das Kloster endlich einen
Unterhaltsbeitrag leisten. Die Pfarreibesetzung könne zwar beim Abt bleiben,
der Rat sorge aber dafür, daß keine Personen angestellt würden, die „das Gotteswort
zu predigen nicht geschickt erfunden würden". Aus der Antwort des Abtes
und Konvents erfahren wir, warum die Abtei sich weigert, die Pfarrei in die
Klosterkirche zu übernehmen: Der Pfarrherr habe die Konventualen „vielfältig-
lich verfolgt", höre noch immer nicht damit auf und würde sich auch in seiner
Amtsausübung und beim Predigen nicht an die kaiserlichen Mandate halten,
wodurch dem Kloster großer Nachteil entstehe.50

Der einfache Klerus war oft Sympathisant der neuen Lehre und trat leichter zu
ihr über. Er schloß sich meist der allgemeinen Aversion gegen die sozial wesentlich
höher stehende „Prälatur" an, die wirtschaftlich reich begütert war.51 Das
Gengenbacher Beispiel war also kein Einzelfall. Tatsächlich reichen die Spannungen
und Streitfälle dieses Leutpriesters Servitoris schon in frühere Zeit
zurück. Seine Anstellung im Jahre 1506 war bereits mit Schwierigkeiten verbunden
. Der Abt Konrad von Müllheim übertrug ihm die Pfarrei St. Martin erst
auf Bitten des Kaisers und des Straßburger Bischofs.52 Verträge zwischen Abt
und Leutpriester mußten die „Pfarrcompetenz", d. h. die Besoldung des Pfarrers
festlegen.53 Streitigkeiten um Zehntrecht und Güterfälle zwischen Abtei
und Konrad Servitoris hatte der Straßburger Bischof in den Jahren 1511 und
1512 zu schlichten.54 Und weil es in den folgenden Jahren, wie wir bereits gesehen
haben, bei der feindseligen Haltung der beiden Parteien blieb, lag darin
wohl eine wesentliche Voraussetzung für den Übertritt des Leutpriesters zur
Reformation und seine reformatorischen Predigten und Gottesdienste im Jahre
1525.

In den darauffolgenden Jahren griff die Reformation immer weiter aus. Dies
hatte zur Folge, daß sich das Kloster mehr und mehr bedrängt sah; nicht zuletzt
auch durch die Versuche des Grafen Wilhelm und der Stadt Gengenbach, das
Kloster zu säkularisieren. Deshalb schickte der Konvent am 8. Dezember 1526
einen Beschwerdebrief an Bischof Wilhelm von Straßburg, damit den Bestrebungen
jener Einhalt geboten werde. Dem Schriftstück sind neun Klagepunkte
über das reformatorische Verhalten des Leutpriestres angeheftet.55

Dem Pfarrer wird vorgeworfen:

1. Er verwirft in allen seinen Predigten alle Sakramente, besonders das Sakrament
des Brotes, weil „es nit der lib christi sey ... sünder allein ein zeichen des
libs christi", was offensichtlich dem Evangelium, den Worten Christi und Pauli,
deren sie sich rühmen, und auch der alten, hergekommenen „Satzung der heiligen
Kirchen ganz zuwider ist".

2. Er predigt auch, es sei nirgends früher dagewesen, daß man das Sakrament
„in ein Kensterlin stell", wo es die Milben oder Würmer essen, sondern man
solle das Brot ungesegnet an den Ort tragen, wo man es brauchen wolle bei

50 ebd. S. 16; — Aus einem Schreiben des Konvents aus dem gleichen Jahr 1525 an Graf Wilhelm erfahren
wir, daß der dem Kloster feindliche Leutpriester Konrad Servitoris hieß und während der
Abwesenheit des Abtes in das Kloster eingedrungen sei und die Konventualen bedrängt habe wegen
der Aufbesserung seiner Pfarrbezüge. Erst durch Geschenke und Geld habe er sich beschwichtigen
lassen, (ebd. S. 16.)

51 Vgl. E. W. Zeeden, Die Entstehung der Konfessionen, München-Wien 1965, S. 49—50.

52 GLA 30/58 1506 April 28.

53 So in den Jahren 1506 und 1509: GLA Kopialbuch 67/1523.

54 GLA 30/58 1511 Mai 24; 1512 Sept. 1. und Sept. 24.

55 GLA 119/1129; Der Brief ist teilweise abgedruckt bei Batzer, a.a.O. S. 64—66. Die Klagepunkte hat
Batzer nicht alle und nur stark verkürzt angeführt.

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