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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
57. Jahresband.1977
Seite: 215
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die nicht mit Namen bekannt sind, gemeinsam als Schöpfer dieser Kirchenordnung
ansehen.101

a) Wie aus ihrer Einleitung hervorgeht, wird die Kirchenordnung von „Schultheis
, meister vnd Rhat der Statt Gegempach" für alle Bürger und Hintersassen
erlassen. Dann wird eine Begründung für die Kirchenordnung gegeben. Da „das
Wort gottes zu hören, nit yedermans ding ist", da es hinsichtlich des Glaubens
Verrat und Widerspenstigkeit zu sehen und zu hören gebe, so hat der Rat, obwohl
er „vber niemands glauben herren" ist, „ampts vnd befelch halber" von
Gott den Auftrag oder die Verpflichtung, nicht allein für der Untertanen „Seelen
selygkeit" zu sorgen, sondern auch für deren Leib, Ehre, Gut, Frieden und
Wohlfahrt.

Zu allererst muß bedacht werden, „wie das haylig wort gottes bayder testa-
menten ... bey vilen gar veracht, bey andern ... die sacramenten bayde des
leibs vnd bluts vnserrs Herren auch des tauffs entheret ... vnd allerlay erger-
lich laster eingerissen". Damit „die straff gottes vber uns" verhütet werde,
sieht sich der Rat veranlaßt, eine Ordnung aufzustellen.

Offensichtlich herrschte also in Gengenbach in den ersten zehn bis fünfzehn
Jahren der Reformation Verwirrung, was reformatorische Lehre, Sitte und
Zucht anbelangt. Diese Gedanken aus der Einleitung richten sich gegen unbeabsichtigte
Begleiterscheinungen im Zuge der Einführung der neuen Lehre, die
wohl von manchen Leuten als Ablehnung auch der beiden noch verbliebenen
Sakramente Taufe und Abendmahl mißverstanden wurde. Die Kirchenordnung
wendet sich also gegen Verfälschungen der eigenen Lehre aus den eigenen
Reihen.

b) In der sich anschließenden Erklärung, der Protestatio, versichert der Rat,
mit seinem Werk nichts anderes zu suchen als die Ehre Gottes, und dem Wort
der Schrift gemäß zu handeln. Er bekennt sich zum Gehorsam gegenüber der
„waren, rechten Christlichen kirchen".102 Einem künftigen Konzil will man
Folge leisten, wenn es „auß dem heyligen geyst warhafftiglich versandet". Hier
erhebt sich die Frage, ob diese Appellation an ein allgemeines Konzil, die von
Seiten der evangelischen Reichsstände besonders seit dem Speyerer Reichstag
von 1529 immer wieder erfolgte, zu diesem Zeitpunkt in Gengenbach von einer
echten, ehrlichen Gesinnung getragen war, ob man also ein Konzil tatsächlich
wollte, oder ob der Appell mehr eine rechtliche Absicherung war, um Handlungsspielraum
in Sachen Religion gegenüber dem Kaiser zu haben.

c) Die folgenden Ausführungen der Kirchenordnung handeln von Kirchenorganisation
, Zuchtgericht, Predigtamt und Prädikanten. Hinsichtlich der Kirchenorganisation
geht es um das Amt der Kirchenpfleger, welche die Bezeichnung
„diacon" und „superattendent" erhalten. Dazu werden sieben Männer aus dem
Rat bestimmt und den Prädikanten zugeteilt, wobei sie die volle Amtsbefugnis
von Seiten des Rats erhalten, um „in der kirchen Sachen zu handien", und die
Einhaltung der Kirchenordnung zu kontrollieren.

Aus diesem Gremium sollen dann zwei gottesfürchtige Männer ausersehen werden
, die als „Zuchtgericht" die „ergerlichen, offenbaren lästern" wie „Sauffen,
fressen, gots lestern, Spilen, Tanzen" wahrnehmen und dafür strafen und züchtigen
sollen.

„Auff dem land", also in den Tälern und Zinken, sind Aufseher unter dem
Schutz des Rates zu setzen, „die den Diaconen die laster anzaygen sollen".

Das Predigtamt hat für den Rat eine wichtige Bedeutung. Deshalb schreibt er
die Inhalte der Predigt vor: „predigen von der gnad vnd barmherzigkait gottes
"; in den beiden Testamenten „bezeugen, welches die Suma des wortts gottes

101 ebd. S. 28; zum folgenden S. 29—39.

102 Es ist wohl anzunehmen, daß man sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht außerhalb der einen Kirche
sah; denn das eigentlich konfessionelle Bewußtsein begann sich im Volk erst etwa Mitte des 16. Jahrhunderts
stärker auszubilden. (Vgl. Zeeden, Konfessionen, S. 129—130.)

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