Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
57. Jahresband.1977
Seite: 262
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1977/0264
Baden, Böhmen und der Orient

Barocke Geographie im Schloß Favorite
Von Johannes Werner

Dergestalt also ist das Barock
geographisch geweitet und in
sich verschlungen.

Wilhelm Hausenstein

Schloß Favorite steht auf badischem Boden — und ist doch von böhmischer
Art;1 und wie um im geographischen Vexierspiel sich noch zu übertreffen,
überrascht es seinen Besucher im Innern mit — einem ,Chinesischem Zimmer'.
„An den Wänden sind in goldgerahmte Stuckmarmorfüllungen seltsam gestaltete
, Papageien ähnliche Vögel gesetzt — ,Indianische Vögel' nennt sie das Inventar
von 1762 — und ihre lose hängenden bunten Fittiche konnten ehemals
durch ein Drähtewerk hinter der Wand bewegt werden. Als Täfelung zieht ein
Fries mit chinesischen Figuren an den Wänden entlang; die Figuren sind wie
die Vögel aus Papiermache. Auch die Motive der Deckenmalerei und die gemalten
Gehänge unter dem Gesims sind aus der exotischen Formenwelt übertragen
. (...) Doch die Fülle des Fremdartigen war früher noch größer, denn das
Inventar von 1762 zählt als Einrichtung außer dem kostbaren Himmelbett,
einem Marmortisch und gestickten Taburetts noch auf: ,6 indianische Figuren
... 30 Ind. kleine Thier und Figuren, 6 Stuck Ind. Vögel auf marmorirten Füllungen
, 2 desgleichen groß Figuren, 13 dergleichen kleine stehende, 2 reitende
deto, 2 sitzende deto.' Seltsame östliche Traumwelt als Ausstattung für ein
Schlafzimmer hier in dem Sommerschloß am Rande der Schwarzwaldberge!" 2
Aber nirgends gibt das Barock sich besser zu erkennen, nirgends gibt es mehr
von seinem Wesen preis als hier, an diesem Ort.

Von ihm, also vom chinesischen Zimmer (im böhmischen Bau, im badischen
Land) und besonders von dessen Wandschmuck wird nun die Rede sein — freilich
auf eine gewissermaßen ausgreifende und ausschweifende Weise, die sich
leicht den Vorwurf zuziehen wird, sie verliere, vergesse oder verfehle schließlich
den konkreten Gegenstand, von dem sie ausgegangen. Doch das hat nichts
zu sagen; denn eine recht begriffene Regionalgeschichte macht es sich ja geradezu
zur Aufgabe, das Regionale mit dem Universalen, das Einzelne mit dem
Ganzen, das Besondere mit dem Allgemeinen, das Konkrete mit dem Abstrakten
dialektisch zu vermitteln. Dann erst kann und muß sie (nach den Worten

1 Die Erbauerin, die badische Markgräfin Franziska Sibylia Augusta, hat (durch ihren böhmischen Baumeister
Johann Michael Ludwig Rohrer) in diesen ihren Witwen- und Alterssitz, der zwischen 1710
und 1712 entstand, ganz offenbar Erinnerungen an ihre böhmische Heimat und Jugend verarbeiten
lassen; dies zeigt vor allem der die Außenwände überziehende Kieselputz, .Grottierwerk' nach dem
Vorbild des elterlichen Schlosses von Schlackenwerth, wie auch dann die Innenausstattung mit Leuchtern
und anderem aus geschliffenem Glas.

2 Anna Maria Renner, Kleinkunst in Favorite. In: Badische Heimat 24 (1937), S. 333—343; hier S. 337 f.
— Vgl. ebenso: dies., Bilder und Erinnerungen zum Kunstschaffen der Markgräfin Sibylia Augusta
von Baden. In: Der Türkenlouis. Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden 1655—1707. Karlsruhe o. J.,
S. 127—140; hier bes. S. 136 f.

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