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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
59. Jahresband.1979
Seite: 58
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bildeten, waren aber wirtschaftlich ganz und gar abhängig von den
reichen Bauern der umliegenden Thäler und Berge", schreibt Gothein in
seiner Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwalds, und er verweist auf die
Erzählung Heinrich Hansjakobs, „Wilde Kirschen", wo mit derbem
Humor beschrieben wird, wie der letzte Bürgermeister der freien
Reichsstadt Zell, bevor er durch das Vertrauen seiner Mitbürger zu dieser
Stellung berufen wurde, als Schneider auf den Harmersbacher Höfen
umherzog und versuchte, von den Bauern gute Bissen zu erhalten.10 Ob
Hansjakob damit den Vater des Professor Büß im Auge hatte, weiß ich
nicht.11 Sicher ist jedoch die allgemeine gesellschaftliche und wirtschaftliche
Situation präzise gezeichnet.

Der junge Büß wurde weiter bestimmt durch das Erlebnis schwerer
Hungersnöte 1816/17, die besonders durch die vorausgegangenen Belastungen
der napoleonischen Kriege gerade für Zell sich katastrophal
auswirkten. Ein sehr drastischer Niederschlag findet sich - wenn ich den
zeitlichen Bogen schlagen darf - in seiner 1832 erschienenen Schrift
„Volks- und Völkermoral, Politisches Glaubensbekenntnis". Büß nimmt
entschieden Stellung in einer Zeit politischer Unruhe. Freilich selbst in
heftigster Gärung befindlich, wendet er sich gegen revolutionäre
Umtriebe, gegen einen extremen politischen Liberalismus und fordert
eine „humane, sittlich religiöse Regeneration der gesammten Gesellschaft
". Besonders jedoch verlangt er, daß dem Volk, dem mit politischen
Ideen jetzt nicht gedient sei, materielle Erleichterung zuteil werde.

Einige Zitate: „Das Volk muß zuvörderst frei athmen können, und Etwas
zu dauen haben, ehe es auf euern, nicht aus den Hütten des Thals
geholten, sondern aus euerem überreizten Hirn entwässerten oder
entbrannten Verbesserungsplanen horcht. Hungert einmal, wie es, gebt
so oft und so Vieles, als ihr gierig ihm nehmet, schindet vom grauen
Morgen bis in die späte Nacht, wie es, und streckt euch auf sein nur mit
Noth der Schuldvollstreckung entrissenes, sorgengefoltertes Lager,
dann werden euch euere Träume vergehen... Ihr lügt, und kommet mir
vor, wie Einer, welcher einem Halberhenkten ein Senfpflaster an die
Sohle sezt, statt ihm die Drosselschnur abzuschneiden, wie Einer,
welcher dem vor Hunger Umfallenden die Segnungen der Hungerkur
preist, und das Brod in seiner Hand selbst nascht. Wäret Ihr hinausgegangen
vor einigen Wochen, ehe Gott und Natur mit reicher Aerndte
geholfen, auf den Markt, hättet ihr geschaut diese kaum noch wankenden
Gerippe mit ihren tiefen hohlen Augenlöchern, blosen Feuerstätten der
Verzweiflung, ... dieser Schauderblick wäre Euch gesund gewesen,
gesunder, als der in euere Bibliotheken

10 Eberhard Gothein, Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes und der angrenzenden Landschaften. Straßburg 1892,

2%.

11 Vgl. P. Adalbert Ehrenfried, a.a.O., der die Zusammenhänge genau belegt.

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