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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
59. Jahresband.1979
Seite: 90
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Freiheit der politischen Betätigung war für ihn so selbstverständlich, daß
diese Forderung auch seinen Patriotismus durchdrang. So unterstrich er
in Lassalles Fichte-Rede36 besonders den Satz, daß „die Vaterlandsliebe
nur den Freien zukommt". Einheit des Nationalstaats verband sich mit
der politischen Freiheit, auch mit der Gedanken- und Bewegungsfreiheit
jeglicher Religion, die ihrerseits die freiheitlichen Prinzipien im
gesellschaftlichen und politischen Leben zu beachten habe, so daß Ja
gesagt werden konnte zum religiösen Katholizismus, aber Nein zu seiner
politischen und klerikalen Ausprägung. Demokratischer Patriotismus
schloß den Gedanken der Völkerverständigung ebenso ein, wie er
Antisemitismus ausschloß. Der war Wilhelm Engelberg fremd, selbst in
jener quasi gemäßigten Form, von der auch ein Heinrich Hansjakob nicht
frei war. In einer Art Protesthaltung erwarb Engelberg die in einem
geschmackvollen Jugendstil illustrierten, von Morris Rosenfeld verfaßten
„Lieder des Ghetto", die von der Armut, der Arbeitsqual und der
Sehnsucht der Ostjuden zeugten.37

Zum radikalen 48er Demokratentum gehörte auch der Gedanke der
Sozialreform. Aktueller Kernpunkt war die Forderung nach dem
Achtstundentag, die zunächst die Hauptlosung der Ersten-Mai-Feier
ward. Dazu schrieb er in einer Korrespondenz für den „Volksfreund":38
„Nur wenige fortgeschrittenere Meister sehen ein, daß mit der gesetzlichen
Einführung einer kürzeren Arbeitszeit schon jetzt für sie eine
indirekte Besserung ihrer Lage errungen wäre, wenn in solchen Städten,
wo die Großindustrie die Ausbeutung der Arbeiter aufs höchste betreibt,
die gesetzlich bestimmte Zeit der Arbeit hauptsächlich eingehalten
werden müßte, wodurch die Unternehmergewinne zwar etwas beschnitten
, aber das Kleingewerbe hierdurch doch ganz gewiß konkurrenzfähiger
würde." Im übrigen wolle die Fraktion der Sozialdemokraten im
Reichstag nichts überstürzen; ihr Arbeiterschutzgesetzentwurf verlange
„erst vom Jahre 1894 an die 9stündige und vom Jahre 1898 an die
8stündige Arbeitszeit". Sarkastisch fügte Engelberg hinzu: „Haslach
wäre also noch nicht in Gefahr, Lumpen, die nur saufen und nicht

36 Ferdinand Lassalle, Fichte's politisches Vermächtnis und die neueste Gegenwart. Artikel vom Januar 1860 . 2.
Auflage Hamburg 1877, S. 7. Diese Ausgabe ist insofern interessant, als dafür verantwortlich zeichnet: „Allgemeiner
deutscher Arbeiter-Verein", also eine lassalleanische Organisation, die auch nach der Vereinigung der beiden
Fraktionen in Gotha 1875 an der Waterkante weiterbestand. Das geht auch aus einem Inserat auf der letzten Seite der
Broschüre hervor, das für den „Social-Demokrat" wirbt; dieses „Organ des Allgemeinen deutschen Arbeiter-
Vereins" sei „das einzigste Organ der gesammten Arbeiterblätter, welches den Standpunkt Ferdinand Lassalles in
socialer und politischer Hinsicht klar und auf das Entschiedenste vertritt". Vgl. H. Laufenberg, Geschichte der
Arbeiterbewegung in Hamburg, Altona und Umgegend; Hamburg 1911, Bd. I, S. 563f. Hier wird zwar von einer
Hamburger Opposition gegen die Vereinigung in Gotha gesprochen, aber von dieser Organisation nichts erwähnt.
Offensichtlich war sie eine Splittergruppe, die aber Lassalles Schriften zu verbreiten verstand - bis in die
Arbeitervereine der Schweiz.

37 Lieder des Ghetto von Morris Rosenfeld. Autor. Übertragung aus dem Jüdischen von Berthold Feiwel mit
Zeichnungen von E.M. Lilim. Sechste Auflage. Hermann Seemann Nachfolger, Berlin NW 87. Dieses Buch hat W.E.
sorgfältig eingebunden - immer ein Zeichen seiner besonderen Sympathien.

38 Im Konzept vorhanden, StAH, Mappe 7.

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