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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
59. Jahresband.1979
Seite: 107
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1979/0109
er am 25. Januar 1918: „Also bestellte Arbeit. Einem Zeitungsleiter glaubt
man doch alles zumuten zu können als Handlanger der öffentlichen
Stimmungsmacherei." Der geforderte Artikel kam nicht. Stattdessen war
das Mißtrauen des Redakteurs der „Volksstimme" gegenüber offiziellen
Verlautbarungen hellwach. So sagte er beispielsweise einmal vor einer
Abreise zu einer Pressekonferenz des Karlsruher Generalkommandos im
engsten Familienkreis: „Was meint ihr, wie wir heute wieder angelogen
werden!" Er freute sich auf die Reise eigentlich nur, weil er dort Adolf
Geck traf, der durch seinen Sohn Brandel6* über die tatsächliche Lage an
der Front einigermaßen unterrichtet war. Erst im November konnte er
auch in der Zeitung offen über den Mißbrauch des Vertrauens sprechen:
,,Noch im September letzthin hatte man ja... in verschiedenen Vorträgen
in Karlsruhe Dinge geschildert, deren Haltlosigkeit für jeden vernünftig
denkenden Menschen glatt auf der Hand lag. Eine Aussprache und
Klärung war in diesem und anderen Fällen nicht möglich, die leitenden
Kreise verschanzten sich hinter die militärische Geheimniskrämerei."69

Jetzt, im November 1918, fand zunächst, wie Engelberg schrieb, das
„Scherbengericht" statt: Der Kaiser mußte - endlich - abdanken, die
Revolution brach in München, Berlin und anderen deutschen Hauptstädten
aus, überall bildeten sich „nach russischem Muster" Arbeiter- und
Soldatenräte; ein allgemein als schmählich empfundener Waffenstillstand
wurde von der obersten Heeresleitung der Alliierten diktiert.
Manches bittere Wort über die „Grande Nation" und das „stolze
Britannia" finden wir in den Aufzeichnungen von Engelberg. Tief
betroffen war er, daß sich die Verheißungen des USA-Präsidenten
Woodrow Wilson über einen demokratischen Frieden vom Beginn des
Jahres 1918 nicht bewahrheiten sollten. Doch finden sich in den Notizen
auch wieder trostreiche Erwartungen: „Freude herrscht aber doch trotz
alledem darüber, daß der ganz Europa bedrückende Militarismus für uns
Deutsche zerschmettert liegt und das Volk noch aufrecht steht, wenn es
auch 4 Jahre lang gestritten und gelitten hat. Wir sind daran, ein freies
Volk zu werden und jene Geldkaste, welche den Krieg verschuldet, die
Kosten zahlen zu lassen." Und in einem kurzen Leitartikel70 drückte

68 Brandel Geck fiel am 25. Oktober 1918, also kurz vor Abschluß des Waffenstillstands. Rosa Luxemburg, die den jungen
Brandel auch literarisch beraten hatte, schrieb am 18. 11. 18 an die Gecks, ..die teuren, geliebten, herzinnigen
Freunde", einen ergreifenden Kondolenzbrief, der auch manches von allgemein historischem Interesse enthält und
selbst wieder von ahnungsvoller Tragik durchdrungen ist: „Ihr Lieben, laßt Euch nicht durch Schmerz überwältigen,
laßt die Sonne, die in Eurem Hause immer strahlt, nicht hinter diesem Entsetzlichen verschwinden. Wir alle stehen
unter dem blinden Schicksal, mich tröstet nur der grimmige Gedanke, daß ich doch auch vielleicht bald ins Jenseits
befördert werde vielleicht durch eine Kugel der Gegenrevolution, die von allen Seiten lauert.... Tausend Grüße

Eure Rosa L.

Mein herzlichstes Beileid und viele beste Grüße Ihr K. Liebknecht." Beide, Brief Schreiber und Grußschreiber, wurden
zwei Monate danach von der Konterrevolution niedergestreckt. (Die Originalbriefe von Rosa Luxemburg an Familie
Geck liegen im Generallandesarchiv in Karlsruhe; veröffentlicht wurden sie in: Rosa Luxemburg. Briefe an Freunde.
Hrsg. von Benedikt Kautsky, Zürich 1950; vgl. S. 171 ff., insbesondere S. 173.)

69 ..Schwarzwälder Volksstimme" am 25. 11. 1918.

70 ..Schwarzwälder Volksstimme" am U. 11. 1918.

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