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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
59. Jahresband.1979
Seite: 111
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Zur Beendigung des Krieges und zum Übergang in den Frieden gehörte
auch der Rücktransport der Gefangenen. Unter dem 11. Dezember 1918
heißt es in den Tagebuchblättern: „Der russische Gefangene Meier
Turbowski, welcher nunmehr etwa 2 Jahre als Buchdrucker (in der
„Schwarzwälder Volksstimme") beschäftigt war, ist heute früh 9 Uhr mit
noch etwa 70 russischen und 4 englischen Gefangenen aus unserer
Gegend abgereist.... Kurz vor seinem Scheiden aus meinem Hause hat er
noch durch eine Ansprache, worin der Dank für die gute und freundliche
Behandlung zum Ausdruck kam, feierlichen Abschied genommen." Es
war in der Tat ein sehr bewegender Abschied von diesem kleinen,
quicken, von epileptischen Anfällen immer wieder heimgesuchten
Manne aus Kiew. Vater Engelberg begleitete ihn an den Bahnhof, wo sich
viele Haslacher einfanden und die Russen noch einmal ihre Nationaltänze
vorführten. Freundlich, ja auch herzlich, war das Abschiednehmen.
„Das Menschentum trug wieder einmal den Sieg über die Barbarei
davon", notierte der Tagebuchschreiber. Aus Kiew kamen noch einige
Jahre Briefe, in denen von der ungeheuren Schwere des Lebens, aber
auch den Zukunftshoffnungen berichtet wurde. Zunehmende Krankheitsanfälle
, manch andere Härten und Sprachschwierigkeiten, die
Turbowski das Schreiben zunehmend zur „Schwerarbeit" machten,
ließen den Briefwechsel Ende 1923 einschlafen.73 Die Not der Zeit knüpfte
Freundschaften, aber sie löste sie auch wieder.

Nachdem die Demobilisierung zumindest der großen Masse des Heeres
Ende 1918 abgelaufen war, begann die Offensive der Konterrevolution.
Es kann nicht unsere Aufgabe sein, sie in ihren verschiedenen Formen
und ihrem Verlauf zu beschreiben. Wie die Revolution in dem Städtchen
Haslach geruhsam verlief, so auch die Konterrevolution - aber sie
enthüllte eine Tücke, die wert ist, festgehalten zu werden. Die
„Rückwärtser", die „Frommen", die „Schwarzen" - um mit Wilhelm
Engelberg zu sprechen - brachen die demokratische Mehrheit im Orte
ausgerechnet mit Hilfe einer demokratischen Errungenschaft, nämlich
des Frauenwahlrechts. Dieses konnte durch eine traditionell bewährte,
dieses Mal insbesondere gegen die Sozialdemokratie gerichtete Demagogie
des katholischen Zentrums ausgenutzt werden. Die Sozialdemokratie
werde, so erklärten die „Kinzigtäler Nachrichten", den Bauernstand
vernichten, den Badenern ihre staatliche Selbständigkeit nehmen,
keinen Frieden bringen, den wirtschaftlichen Zusammenbruch herbeiführen
und natürlich - nach ihrem Programm, das Trennung von Kirche
und Staat fordere - die Religion bekriegen.

Wilhelm Engelberg und seine Freunde wußten, was auf sie zukam. Damit
die Ursachen mancher Stimmzahlen und -Verhältnisse wenigstens klar
zum Ausdruck kommen konnten, drückten sie durch, daß bei der Wahl

73 Die Briefe von Meier Turbowski, von denen auch einer an mich gerichtet ist. befinden sich in meinem Besitz. E.E.

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