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„An den Schöpfer; am Feste des Ewigen; Unsterblichkeit der Seele;
Pflichtgebot". August Stöber kommt wiederum zu dem Schluß: „sie stehn
den früheren Liedern an Frische und Unmittelbarkeit des Gefühls
bedeutend nach und sind oft nur gereimte Lebensphilosophie.35 Ihn
übernimmt Meissner zitatlos, während Ludwig Spach etwas abgewandelt
von „deklamatorischen Gemeinplätzen" spricht.36 Mag sein, daß Lameys
Lobpreisung menschlicher Tugenden für den Tugendhaften Gemeinplätze
bedeuten, aber einige Dekadenlieder haben eben doch, wie wir auf dem
Hintergrund der angedeuteten geschichtlichen Zusammenhänge gesehen
haben, einen erheblichen politischen Aussagewert. Lamey bekennt
sich nicht nur zu den Prinzipien von 1789, zur „Freiheit und Gleichheit":
(3) „Die Gleichheit ist des Volks Triumph,
Das seine Würde schätzt,
Das eitler Ehren Prunk vergißt,
Und was da Mensch und Bürger ist
in eine Reihe setzt,"
sondern auch eindeutig zur Republik:
„Gott segne unsre Republik,
Die Republik der Franken!
Und laß sie keinen Augenblick
Auf ihrem Felsen wanken."
Er geißelt die schmarotzenden Hofbeamten in „Heldensinn":
„Du trinkst der Witwe Tränen
Aus deinem Goldpokal:
Du zehrst vom Gut der Waisen
An deinem Schwelgermahl."
Im „Kunstfleiß'', einem Gedicht mit demokratischem Charakter, erinnert
der junge Jakobiner die Müßiggänger, die Saint-Just in seiner Rede vom
13. März 1794 vor dem Konvent als „letzte Stütze der Monarchie"
brandmarkte, an die produktiven Leistungen des arbeitenden Volkes:
(3) „Wer hat das dürre Land getränkt,
Und Gräben hingeleitet?
Wer hat der Flüsse Lauf gelenkt,
Und Straßen ausgebreitet?
Wer hat die Brücken aufgebaut,
Getrocknet die Moräste?
Wem sind die Gärten anvertraut,
Die Gärten der Paläste?
35 Stöber, a.a.O., S. 385.
36 Ludwig Spach, Moderne Culturzustände im Elsaß. 1, Band, Straflburg 1873, S. 86.
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