Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
60. Jahresband.1980
Seite: 262
(PDF, 71 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1980/0264
duldeten den gemeinsamen Unterricht ihrer eigenen mit den jüdischen Kindern
nicht, so daß diese gesondert unterrichtet werden mußten. Dies führte
zur Einrichtung der israelitischen Volksschule.

1846 ereigneten sich, im Zusammenhang mit der geplanten Judenemanzipation
, wiederholte Ausschreitungen gegen die Juden. In den Jahren 1870 und
1880 bis 1890 kam es erneut zu Tätlichkeiten gegen die Juden. Ihren Höhepunkt
erreichten die Ausschreitungen während der Jahre 1918—192518, als in
der judenfeindlichen Stimmung der Nachkriegsjahre zu mitternächtlicher
Stunde mehrere um den Rathausplatz gelegene Judenhäuser beschossen wurden
. Auch wurden Fenster zerschlagen und „Jauche ins Zimmer geworfen".
Einer der Betroffenen, der Kaufmann Karl Baum, verkaufte daraufhin sein
Haus und verlegte seinen Wohnsitz nach Kehl. Auf dem jüdischen Friedhof
wurden im gleichen Zeitraum mehrmals Grabschändungen verübt. Die Urheber
der Ausschreitungen konnten nicht ermittelt werden. Die befragten jüdischen
Einwohner, die Kenntnis von den Ereignissen hatten, vertraten die Auffassung
, daß es sich dabei nicht um eine organisierte Bewegung handelte, sondern
um einen antisemitischen Ausbruch „auf individueller Basis", um einen
„vandalierenden Antisemitismus", um ein „Geplänkel". Zum Teil wußten
die Gewährsleute nichts von diesen Ereignissen, oder sie maßen ihnen keine
große Bedeutung bei: „Man war in der Nachkriegszeit nächtliche Schießereien
gewohnt, es gab mehrere Schmugglerbanden, die sich gegenseitig bekämpften
und die Gegend am Rhein verunsicherten."

In neuerer Zeit, schreibt Iwan Meyer 192719, war das Verhältnis zwischen Juden
und Christen ein erfreulich gutes.20 Das Jubiläumsfest der jüdischen Gemeinde
, an dem auch abgewanderte jüdische Einwohner und christliche Non-
nenweierer teilnahmen, verlief sehr harmonisch. Iwan Meyer und Freiherr
Böcklin von Böcklinsau führten den Festzug. Der Bezirksrabbiner hielt eine
Ansprache. „Dies alles fünf Jahre vor Hitlers Machtergreifung!"

Das Jubiläumsfest vermochte zwar noch die Illusion einer blühenden jüdischen
Gemeinde erwecken, die im vollen Einklang mit den christlichen Nachbarn
lebte. In Wirklichkeit war die jüdische Gemeinde Nonnenweier 1927
„nahe am Zerfall"21. Viele jüngere Juden waren, aufgrund der Ausschreitungen
und der wirtschaftlichen Schwierigkeiten nach dem Kriege, abgewandert,
in die Städte, ins Ausland.

18 Die Ereignisse sind bei Iwan Meier, a.a.O. S. 17, erwähnt. Für genaue Details vgl. Staatsarchiv
Freiburg, 360/2906, Nonnenweier, Judenfeindliche Ausschreitungen 1919/25.

19 Festschrift für das Jubiläumsfest der jüdischen Gemeinde a.a.O. S. 17

20 Im Gespräch mit der Verfasserin modifizierte Iwan Meyer diese Aussage sowie den Tenor
der Festschrift als Ganzes: er habe im Sinne der Gemeinde bewußt darauf verzichtet, aktenkundige
Vorfälle aus der neueren und neusten Zeit in der Festschrift zu erwähnen, die auch
nur im geringsten antisemitischen Charakter hatten; z.B. habe es um 1923 eine Gemeindeverordnung
über die Belüftung der Synagoge gegeben, die man hätte antisemitisch auslegen
können.

21 vgl. Iwan Meyer, a.a.O. S. 29

262


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1980/0264