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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
60. Jahresband.1980
Seite: 274
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Täfelchen an die Leute, die zur Thoravorlesung aufgerufen wurden, und kassierte
am Sonntag die geschnoderten (gespendeten) Beträge (siehe hierzu S.
270 f, Fußnote 280). Er verteilte anstelle des Parneß die Armengelder. Er sorgte
für alle technischen Einzelheiten bei Beerdigungen. An den besonderen Bet-
und Bußtagen, an denen die Gemeindemitglieder mitten in der Nacht, noch
vor Sonnenaufgang, zum Gebet gerufen wurden, ging der Schammes von
Haus zu Haus und weckte die Männer (siehe unten S. 289).

IV. Juden und Christen

Selbstverständlich hatten sowohl Juden mit anderen Juden als auch Juden
und Christen ständig miteinander zu tun. Das Zusammenleben von Juden und
Christen wird als „ein ausgezeichnetes" beschrieben, oder es wird Goethe zitiert
: es sei gewesen „wie mit der Liebe und der Ehe", die Liebe sei „ideal",
die Ehe „real". Es wird keineswegs versucht, das Zusammenleben als ein immer
besonders harmonisches darzustellen, es zu „idyllisieren".

Die Nonnenweierer Juden haben sich nicht als Angehörige einer von der
christlichen Umwelt verschiedenen Gesamtgruppe betrachtet oder gar als
„Fremde". Man lebte innerhalb der selben „Dorfgemeinschaft" zusammen
und fühlte sich dieser zugehörig, vor allem was die älteren Generationen37 anbelangte
, die noch vornehmlich ortsansässig blieben. Aber auch für die jüngere
Generation38 war und blieb Nonnenweier die „Heimat", der sie sich „verbunden
" fühlten und in die sie „so oft wie möglich" zurückkehrten, wenn sie
das Dorf verlassen hatten. Dieses Heimatgefühl der Abgewanderten betraf
nicht nur die Familie und die jüdische Gemeinde, die Erinnerung an die bäuerliche
Umwelt gehört ebenso mit dazu39.

Die Juden haben „keinen Unterschied gemacht", weder in Wort noch in Tat,
„in der Behandlung der gojim" und der Angehörigen der eigenen Glaubensgemeinschaft
. Die Christen, das waren Individuen oder Familien, mit den
man in persönlicher Beziehung stand und täglichen Umgang hatte. Wenn man
über eine christliche Familie sprach, hat man selbstverständlich deren Familiennamen
verwendet: z.B. „s'Sieferts".

Natürlich war man sich der Andersartigkeit in zweifacher Hinsicht bewußt:
man hatte eine andere Religion und gehörte fast ausschließlich einer anderen
Berufsgruppe an als die christlichen Einwohner.

Besonders in den „frommen" Familien, in denen man an der eigenen religiösen
Überzeugung und den dadurch bedingten Lebensgewohnheiten festhielt,

37 die 1850—1900 Geborenen

38 die nach 1900 Geborenen: i.e. die Gewährsleute

39 vgl. hierzu einen Brief von Ludwig Frank an Hedwig Wachenheim vom 12. April 1914, zit.
nach H. Kattermann, a.a.O. S. 40

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