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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
60. Jahresband.1980
Seite: 276
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Es gab einige jüdische Familien, die bei Juden wie Christen wenig beliebt waren
. Diese Familien waren eventuell vermehrt Anfeindungen von Seiten der
Nichtjuden ausgesetzt. Eine dieser Familien gehörte zu denen, deren Haus
während der antisemitischen Ausschreitungen nach 1918 beschossen worden
war. Möglicherweise haben die Täter für ihre Schießaktion gezielt bestimmte
jüdische Familien ausgewählt, die bei der Bevölkerung in geringem Ansehen
standen und konnten so mit einer Art stillem Einvernehmen der Dorfbewohner
rechnen. Andere jüdische Familien scheinen dagegen aufgrund ihres hohen
Ansehens mit einem Mantel der Immunität umgeben gewesen zu sein.

Während ruhiger Zeiten, in denen nicht eine allgemeine antisemitische Strömung
die wenigen dafür empfänglichen christlichen Einwohner mitriß, erinnert
man sich „nicht an einen Fall, daß ein Jude in Nonnenweier von einem
goy tätlich angegriffen wurde".

Konkrete Anknüpfungspunkte zwischen Juden und Christen.

Sie ergaben sich zwischen den Kindern, durch den Beruf, im Alltag sowie bei
besonderen Lebensereignissen und an bestimmten Festtagen.

Kontakte der Kinder.

Jüdische und christliche Kinder waren in der gemischt-religiösen Schule und
beim gemeinsamen Spiel auf selbstverständliche Weise zusammen. In der
Schulzeit geschlossene Freundschaften dauerten oft ein Leben lang.43

Beruf und Geschäftsleben.

Handelspartner der jüdischen Händler war die landwirtschaftliche Bevölkerung
. In den jüdischen Einzelhandelsgeschäften kauften sowohl Juden als
auch Christen ein. Viele Christen gaben den jüdischen Händlern beim Einkaufen
den Vorzug, denn diese waren bekannt für die Qualität ihrer Waren und
für ihre günstigen Lieferbedingungen. Ein jüdischer Kaufmann hatte unter
seinen Kunden einen Offizier der Garnison Straßburg, einen späteren Nationalsozialisten
. Dieser bestellte, trotz tiefsitzender antisemitischer Einstellung,
große Lieferungen für die Garnison bei dem jüdischen Händler, nachdem er
sich davon überzeugt hatte, daß er besser als irgendwo sonst bedient wurde.

Sicher hat es auch jüdische Händler gegeben, die „beschissen" haben, vor allem
unter den Viehhändlern. Wenn sie eine Kuh verkaufen wollten, haben sie
diese vorher getränkt. Dann wog sie viel mehr als vorher. Der Preis richtete
sich nach dem Gewicht. Dieser Trick „war bekannt", „es gab auch unreelle
Bauern, die haben dasselbe gemacht".

43 Frühere jüdische Einwohner sind noch heute in brieflichem Kontakt mit ihren christlichen
Bekannten aus Nonnenweier.

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