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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
61. Jahresband.1981
Seite: 194
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Kalmus u. a. gebrauchen, man solle sie durch Musik und Spiel aufheitern, sie
im Krankenhaus oder Garten beschäftigen und ihnen Gelegenheit zur Aussprache
geben. Nach diesen Grundsätzen pflegten die Brüder des von ihm gestifteten
Ordens der Barmherzigen Brüder in ihren Häusern die Geisteskranken
z. B. in Charenton und Senlis in Frankreich.3 Den Irren galt auch die Sorge
der vom hl. Vinzenz von Paul* (1581 —1660) gestifteten Gemeinschaft der
Barmherzigen Schwestern in den von ihnen geleiteten Krankenhäusern. Ihre
Tätigkeit in der Salpetriere in Paris, einem Spital für alte, kranke und irre
Frauen, hat den Gründer der Illenau, Roller, bei seinem Besuch stark beeindruckt
.

Abweichend von dem System der Verwahrung entwickelte sich in dem belgischen
Dorf GheeP unweit von Antwerpen eine andere Art der Behandlung von
Geisteskranken. Dort nahmen und nehmen auch heute noch, einem alten
Brauch folgend, Bauersfamilien ruhige und fleißige Kranke gegen Entgelt in
den Kreis ihrer Familie auf. Bei ihr wohnen sie und werden sie verköstigt und
mit leichteren Arbeiten in der Landwirtschaft beschäftigt. Sie gelten nicht als
entlassen, sondern gehören zu einer Anstalt, bei der sie sich regelmäßig einzufinden
haben und wo sie Gelegenheit haben, den Arzt zu sprechen. Von Zeit
zu Zeit wird die Pflegestelle von einem Arzt bzw. einem Inspektor kontrolliert
, der sich über den Zustand der häuslichen Verhältnisse vergewissert,
nachprüft, ob die Pflegeeltern Verständnis für die Eigenheiten des Patienten
haben und ihn vor dem Spott der Dorfbewohner schützen.

Die entscheidende Wende in bezug auf die Geistesgestörten brachte die Entwicklung
der Medizin vor allem seit der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Da
man allmählich erkannte, daß die Geisteskrankheiten wirkliche Krankheiten
sind, fing man an, ihre Ursachen zu erforschen, ihre Erscheinungsweisen zu
diagnostizieren und ihre Heilung anzustreben. Unterstützt wurden diese Bestrebungen
durch die geistige Bewegung der Aufklärung, die Besessenheit als
unvernünftig ablehnte und aus dem Geiste der Humanität eine menschlichere
Behandlung der Geisteskranken forderte. Große Verdienste erwarb sich besonders
der französische Arzt Philippe Pinel (1745—1826)6. Er befreite als
Leiter der Spitäler Bicetre bei und der Salpetriere in Paris die Kranken aus den
Ketten, mit denen sie an den Wänden festgemacht waren. Durch sein persönliches
Eintreten erreichte er vom Konvent, daß den Geisteskranken die Menschenrechte
zuerkannt, daß sie aus den Gefängnissen befreit und der ärztlichen
Behandlung zugeführt wurden.

3 Fr. Corentin Cousson, Die Barmherzigen Brüder des hl. Johannes von Gott und die Behandlung der Geisteskranken
, in: Misericordia, Jahrgang 3/1931, S. 349—358

4 Vinzenz von Paul, in: L Th. K. Bd. 10, 1965

5 Gheel, in: Larousse, Grand Dictionnaire Universel 8. Bd., F—G (o. J.)

6 Ph. Pinel, in: Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker, hrg. von A.
Hirsch, 4. Bd. Berlin/Wien. 2. A. 1932. — H. E. Sigerist, Große Ärzte, München 3. A. 1954

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