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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
61. Jahresband.1981
Seite: 246
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1981/0248
Bis 1881 war die Landwirtschaft seit 1874 durchweg mit überdurchschnittlich
guten Erntejahren gesegnet gewesen16. Mit jenem Jahr aber begann eine Reihe
von Mißernten. Hagelschlag, Dürre und Mäusefraß verminderten vor allem
den Futtermittelbestand, so daß die Lahrer Zeitung schrieb: „Futter gibt es
wenig, und das wenige Futter, das für den Winter bestimmt war, ist der Landmann
genötigt schon jetzt anzugreifen"17. Der Großviehbestand ging in den
folgenden Monaten zurück18. Auch die in der Landwirtschaft beschäftigten
Lohnabhängigen wurden dadurch kurzzeitig hart getroffen, aber noch war
aus den vorausgegangenen Jahren genügend Substanz vorhanden, um den ersten
Höhepunkt abzufangen, und im Frühjahr 1882 kam es zunächst zu einer
leichten Verringerung der Unterstützungszahl. Die Ernte des gleichen Jahres
fiel wie die vorige erneut schlecht aus. Spätfröste, Hagelschlag, Trauben- und
Kartoffelkrankheit, Nässe und Überschwemmung vernichteten einen Großteil
aller Feldfrüchte. Zur Sicherstellung der Ernährung einerseits und zur Reduzierung
überflüssiger Tierhaltung andererseits griff man jetzt auch auf die genügsameren
Tiere zurück. Schweine, Ziegen und Federvieh wurden in verstärktem
Maße geschlachtet19. Zwei schlechte Erntejahre ließen in diesem
noch überwiegend agrarisch ausgerichteten Gemeinwesen (30% der Erwerbstätigen
in der Landwirtschaft) eine Dauerkrise entstehen, welche durch den
dadurch verursachten Kaufkraftschwund auch alle anderen ansässigen Gewerbe
in Mitleidenschaft zog. Die relativ günstige Ernte von 1884 änderte daran
nichts, da ab 1885 der Reigen schlechter Erntejahre von neuem begann. Ein
Ausweichen der in der Landwirtschaft beschäftigten Lohnabhängigen in die
ortsansässige und umliegende Industrie war wegen des inzwischen auch dort
erfolgten konjunkturellen Einbruchs ebenfalls nicht mehr möglich, denn der
Ausfall der Tabakernte traf sowohl die in Dinglingen als auch die in der nahen
Umgebung ansässige Tabakindustrie20. Eine Ausweitung des Personalbestandes
kam daher nicht mehr in Frage. Der Zichorien-, Kartonagen- und Lederindustrie
erging es ähnlich, denn die hier wie im ganzen Reich auftretenden
Stagnationserscheinungen der achtziger Jahre und die Rückschläge der seit
1878 ins Werk gesetzten Schutzzollpolitik führten zum Verlust von Auslandskunden
. Höhepunkt war das Aufeinandertreffen der in Baden wie im übrigen
Deutschland herrschenden Wirtschaftskrise, der regionalen Krise in der Industrie
und der lokalen Agrarkrise. Während in Baden dadurch zwischen 1887
und 1889 jährlich 5000 Personen21 auswanderten, waren es im gleichen Zeitraum
in Dinglingen 3, eine gering anmutende Zahl, welche ihre volle und symbolische
Bedeutung erst durch die Tatsache erhält, daß in den Jahren zuvor
und danach keine Auswanderung aus dem Ort stattgefunden hat. Auch unternehmerischer
Wagemut kann Anzeichen für Krisen sein. Von 1883 bis 1888

16 StA Lahr, Bestand Dinglingen Nr. 576, 603

17 Lahrer Zeitung vom 26. 8. 1881

18 Rinder — 16 %

19 Schweine — 23 <Co, Ziegen — 12 %

20 Winfried Wehrle, Die Industrie der Stadt Lahr 1774—1960, Diplomarbeit 1961, S. 75 ff.

21 Stat. Jahrbuch für das Großherzogtum Baden 1904 u. 1905, S. 84

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