Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
61. Jahresband.1981
Seite: 258
(PDF, 65 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1981/0260
Notlage bedrückender als die Unterstütztenzahlen erahnen lassen. Zwei Beispiele
mögen hierfür kennzeichnend sein. Eine Wohnungsnot unvorstellbaren
Ausmaßes, hervorgerufen durch den Zustrom Vertriebener aus den ehemals
deutschen Gebieten Elsaß und Lothringen, zwangen die Gemeinde zu fortgesetzter
Beschlagnahme von Wohnraum. Die Zahl der Felddiebstähle stieg
stark an, so daß die Verwaltung zu diskriminierenden Maßnahmen wie Ausrufung
der Namen der Schuldigen greifen mußte. Außerdem wurden die Feldwachen
erheblich verstärkt60. Während es im nahen Lahr im Hauptkrisenjahr
1923 zu Hungerunruhen kam61, nahm die Gemeinde Dinglingen einen Kapitaltransfer
von Teilen des Armenfonds in die Gemeindekasse vor62 um die
hauptsächlich aus Nahrungsmitteln und Mietzuschüssen bestehenden Hilfen
aufrecht erhalten zu können, denn seit März 1923 hatte sich die Lage immer
mehr verschlechtert. 70 Arbeiter aus der Tabakindustrie waren arbeitslos geworden
, und eine seit 1919 in Dinglingen ansässige Firma für Eisenkonstruktionen
mußte genauso wie viele Lahrer Betriebe Kurzarbeit anmelden. Die Un-
Jerstütztenzahl ging auch in den auf die Währungsreform folgenden zwei Jahren
nicht stark zurück. Schuld daran waren wahrscheinlich die weiterhin
schwierige Lage in der Tabakindustrie und der in einem Herbolzheimer Werk
der Stahlindustrie drohende Konkurs, von welchem auch eine größere Zahl
Dinglinger Arbeiter betroffen wurden.« Wie auch in anderen Orten Badens
war die Ernährungslage kritisch, so daß die Quäkerspeisung längere Zeit
durchgeführt wurde64. Danach geriet auch Dinglingen wieder in den Sog des
wirtschaftlichen Aufwindes. Zwischen 1926 und 1927 fiel die Zahl der Unterstützten
um fast die Hälfte, um dann bis 1930 nahezu stabil zu bleiben. Kurz
zuvor war auch der unternehmerische Optimismus wieder erwacht, denn bereits
1924 wurden 8 neue Handelsunternehmen in das Handelsregister eingetragen
, mehr als in all den Jahren nach dem Kriege zusammen. Doch sollten es
in jedem darauffolgenden Jahr mit Ausnahme des Jahres 1929 (nur 9 Gründungen
!) bis 1930 jährlich über 14 Handelseröffnungen sein. Dinglingen hatte
im Rahmen des gesamtdeutschen Aufschwunges den Wirtschaftsboom mitvollzogen
. 1927 wurden erstmals seit 1913 weniger als 1% der Bevölkerung
unterstützt. Auch stieg die Zahl derer, welche Unterstützung auf Grund von
Krankheit (Krankenhaus- bzw. Anstaltsaufenthalt) erhielten, ebenfalls ein untrügliches
Zeichen wirtschaftlicher Gesundung.

Der Dinglinger Aufschwung sollte aber nicht mehr als zwei Jahre dauern,
dann hielt die Weltwirtschaftskrise 1929 auch hier ihren Einzug. Zwei Firmen,

60 StA Lahr, Bestand Dinglingen, Nr. 992, Gemeinderatsprot. 8. 9. 1923

61 Renate Liessem-Breinlinger: Die Lahrer Hungerunruhen, in: Geroldsecker Land 17, 1975, S. 141 ff.

62 StA Lahr, Bestand Dinglingen, Gemeinderatsprot. 17. 11. 1923

63 StA Lahr, Bestand Dinglingen Nr. 990

64 StA Lahr, Bestand Dinglingen, Nr. 415 u. Nr. 395

258


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1981/0260