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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
62. Jahresband.1982
Seite: 60
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und für sich schreiben zu dürfen, wie oft gesagt worden ist: ein Leben in der
„inneren Emigration"91, auch dieses.

Hausensteins Tagebuch aus jenen Jahren ist ein Werk von unschätzbarem
Wert für alle, die die Hitlerzeit nicht mehr erlebt haben, sich aber ein Urteil
über das Leben unter einer Diktatur bilden wollen. Es hat den Rang einer Primärquelle
(so gewiß andere noch mehr erduldet haben und Dramatischeres
wiederzugeben wußten92). Wer Verdammungsworte eines Empörten, voller
Wucht aufs Papier geworfen, erwartet, sieht sich enttäuscht. Dies hätte ihn
und seine Frau, da sie vor Haussuchungen durch die Gestapo nie sicher waren
— eine wurde tatsächlich einmal durchgeführt — in Lebensgefahr gebracht.
Keine Verurteilung der „Blut-und-Boden-Ideologie", kein Hohn über die
Sprüche der Nazi-Propaganda, kein „Ich-hab's-ja-immer-gesagt"; der Name
Hitler wird vor dem Ende des Krieges nicht einmal erwähnt, danach — auch
dies ein Zeichen tiefster Verachtung — meist mit dem Artikel. Den Grundton
bestimmen Sorge um seine Tochter, Schmerz über den Niedergang der öffentlichen
Moral, über den Verlust so vieler Kulturwerte, die er in nächster Nähe
in Schutt und Asche sinken sah, Sorge schließlich um die eigene Existenz und
die seiner Frau. Getragen aber sind Hausensteins Aufzeichnungen vom Vertrauen
auf Gottes Vorsehung. Seine Haltung ist gefaßt, die einer anima natu-
raliter christiana, immer den Tod vor Augen und doch getröstet auch vom Gedanken
, daß viele mehr zu leiden hätten als er: die Haltung eines Herrn.

Was Hausenstein festhielt, sind Reflexionen über das, was er sah, hörte und
erlebte. Auffällig die vielen Einträge über seinen schlechten gesundheitlichen
Zustand, den er sich mit seiner maßlosen Arbeit als Redakteur und mit sonstiger
publizistischer Tätigkeit erklärte. Vom Blick in die schreckliche Welt des
Kriegsgeschehens fließt nichts in die Tagebücher ein. Verbindungen zu Widerstandskämpfern
hatte er nicht, und Kommentare zu Frontberichten, Siegesmeldungen
, „erfolgreichen" Absetzbewegungen muß man anderswo suchen.
Klein geworden ist die Welt, München gerade noch erreichbar. Im näheren
Umkreis sind noch Besuche möglich, Besucher kommen auch noch nach Tutzing
, in den dunklen Jahren findet man so eine Stütze aneinander, und wie
auch dies in den letzten Kriegsmonaten nicht mehr möglich ist, bleibt nur,
„den Blick . . . aufs Innere, zu Gott zu wenden".93

Umso erstaunlicher, welche Energie Hausenstein für die tägliche Lektüre aufbrachte
. Werke, für die ihm unter „normalen" Umständen die Zeit gefehlt
hätte, studiert er mit der größten Akribie, sie offenbaren die ganze Weite seiner
Interessen. Alle zu nennen ist hier nicht der Platz, sie reichen von den

91 Vgl. Kindlers Literatur Lexikon, S. 5859.

92 Lediglich Rudolf Härtung, in: Neue Rundschau, 1967, S. 512 blieb es vorbehalten, Hausenstein diese Form
des Widerstandes zum Vorwurf zu machen. — Kritisches zu den Tagebüchern auch von Joachim Günther
in: Neue deutsche Hefte 1967, S. 185ff.

93 Licht unter dem Horizont, S. 339.

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