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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
62. Jahresband.1982
Seite: 87
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verschwägert waren, sondern ihre Beziehungen bis in die obersten Chargen
der Residenzstadt hatten und zu pflegen verstanden.

Ein schwieriger Stand

Es wäre auch zu erwähnen das Familien- und Eheverständnis, aber auch und
vor allem die schwierige und nicht eindeutige Stellung des Pfarrers im Dorf.
Schwierig deshalb, weil der Pfarrer ein Selbstverständnis hatte, das ihn davon
abhielt, sich mit dem „gemeinen Volk" zu identifizieren. Mehr noch, es bestand
gar die Versuchung, dieses zu dominieren, denn er war ja der „Pfarrherr
". Solch eine Haltung wurde von den Gemeindegliedern nicht allein geduldet
, sondern geradezu erwartet. Wehe dem Theologen, der sich populär
gab! Der Unterschied in Bildung und sozialer Stellung war kraß, die Distanz
unvermeidlich. Dies will jedoch nicht heißen, daß alle soziologischen Brücken
gesprengt waren; Heiraten von Pfarrkindern mit Dorfbewohnern sind des Beweises
genug. Aber der Seelsorger war der einzige „Gebildete" im Dorf. Er
hatte einen „freien" Beruf und eine hochgeachtete Funktion im Dienst des
Grafen bzw. des Fürsten.

Nicht zu unterschätzen ist das kulturelle Wirken der Pfarrer, die sich zusammen
mit den Diakonen und Schulmeistern der enormen Aufgabe stellten, den
langsamen Prozeß der Alphabetisierung der Bewohner einzuleiten. Das eigentliche
Bemühen lag jedoch im geistlichen Bereich, und da entziehen sich
bekanntlich die Früchte der Betrachtung und dem Urteil. Man unterrichtete
Junge wie Alte, indem man ihnen Bibel- und Gesangbuchverse, auch
Katechismus- und Lehrstücke vorsagte, wenn nicht gar eintrichterte, Kenntnisse
, die anläßlich öffentlicher Examen regelmäßig kontrolliert wurden.

Im Pfarrhaus selbst, das damals schon im Mittelpunkt aller Blicke lag, versuchte
der Pfarrer, mit seiner meist zahlreichen Familie ein Leben zu führen,
das den Forderungen der Heiligen Schrift und den herrschenden Moralerwartungen
entsprach. Den meisten gelang dies, aber nicht allen.

Bedingungslos unterstützt von der landesherrlichen Obrigkeit, der selbst daran
gelegen war, Glaube, Sitte und Kultur voranschreiten zu sehen, gelang den
Pfarrern ein bemerkenswerter Erfolg: Sie erreichten es, dem Hanauerland einen
ganz eigenen, eben einen hanauischen Stempel aufzudrücken, der dieses
Land, im Vergleich zu allen umliegenden Territorien, verschieden werden ließ.
Ein Stempel von Ordnung, moralischer Strenge und Volksfrömmigkeit, den
man in den benachbarten bischöflichen, reichsritterschaftlichen und markgräflichen
Landen nicht fand, eben das unverwechselbar Hanauische.

Dazu waren die Pfarrer während fast drei Jahrhunderten die Anreger und die
hauptsächlichen Erhalter. Um diese Aufgabe kontinuierlich verfolgen und
vertiefen zu können, zogen sie es vor, solange wie möglich auf einer Pfarrstelle
auszuharren. Gewiß, als Anfänger und schlecht bezahlte Vikare und Diako-

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