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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
62. Jahresband.1982
Seite: 138
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Münstertals, die verzweifelt versucht hatten, den Übergang des Klosters in
fremde Hände zu verhindern, indem sie, selber stark verschuldet, den völlig
abwegigen Versuch machten, über die Bildung einer Genossenschaft das notwendige
Kapital aufzubringen. Glücklich wurde aber auch der Staat nicht mit
Helbing und Helbing nicht mit dem Staat. Kaum waren die Fertigung von
Kaffeesurrogat und Bleischrot wieder angelaufen und Anlagen zur Herstellung
von Rauch- und Schnupftabak installiert und in Benutzung genommen,
beschlagnahmte die Karlsruher Regierung nach der Völkerschlacht bei Leipzig
, vom Drange der Verhältnisse und vor allem von der österreichischen Heeresleitung
dazu genötigt, wie zahlreiche andere ehemalige Klöster auch Etten-
münster und ließ hier in aller Eile umfassende Baumaßnahmen zur Schaffung
von 15 großen Krankensälen durchführen41. Zu diesem Zweck wurden
etliche Trennwände herausgebrochen und Abtritte direkt an den Konventsgebäuden
aufgeführt. Das Lazarett war für 1000 bis 1200 Mann vorgesehen,
aber nur zur Hälfte belegt — und zwar vom 6. Dezember 1813 bis in den Sommer
1814 hinein — und wurde von der königlich bayrischen Armee verwaltet.
Es lagen hier hauptsächlich Bayern, aber auch Österreicher und andere alliierte
Soldaten, von denen mehrere Dutzend von den in den damaligen Militärspitälern
geradezu obligatorischen Seuchen dahingerafft wurden und beim Kloster
ihre letzte Ruhestätte fanden. Helbing, der zu den bedeutendsten badischen
Kriegslieferanten gehörte, suchte aus der Not eine Tugend zu machen
und deckte fast sämtliche Bedürfnisse dieses Lazaretts ab. Nach seiner Rechnung
, die er in den Jahren 1815 und 1816 den Behörden aufmachte, betrugen
seine Forderungen an den Fiskus 148442 fl., bestehend aus Kriegs- und Spitallieferungen
, Schäden in der Abtei und Verdienstausfall durch den zeitweiligen
Stillstand seiner Fabrik. Da er seinen Verpflichtungen aus dem Geschäft von
1812 nur in der Höhe von 8333 fl. nachgekommen war, lastete ihm die Gegenseite
ein Obligo von über 60000 fl. an. Um die Verrechnung bzw. Begleichung
dieser gegenseitigen Forderungen entstand ein langwieriges Hin und Her, das
bis zum Herbst 1822, als Helbing knapp 52jährig starb, noch nicht erledigt
war. Das Etablissement in Ettenmünster — Helbings Handelshaus besaß auch
eine Fabrik in Lahr — hatte die Produktion nach den Befreiungskriegen wieder
voll aufgenommen. Das Kinzigkreisrevisorat wußte für die Landesstatistik
auf das Jahr 1816 folgendes mitzuteilen: Die Tabak-, Zichorien- und Bleischrotfabrik
Helbing & Co. im Münstertal beschäftigte 80 bis 100 Personen,
zumeist Kinder, verarbeitete inländische Materialien im Wert von 80000 fl.,
ausländische von 20000 fl. und exportierte fast alle ihre Erzeugnisse42.

Nach dem frühen Tod Helbings ruhte der Fabrikbetrieb im Münstertal erneut.
Die von verschiedenen Literaten aufgestellte Behauptung, es sei bis 1828 produziert
worden, ist nicht haltbar. Das ergibt sich einerseits aus den — im allgemeinen
sehr zuverlässigen — Industriestatistiken des Kinzigkreisdirektoriums,

41 Vom Militärspital handeln folgende Faszikel: GLA 87 / 6, 236 / 1067 u. 1107.

42 GLA 236 / 850.

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