Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
62. Jahresband.1982
Seite: 173
(PDF, 76 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1982/0175
und im Oberrheinkreis bei 84 Einwohnern/km2 — im Amt Ettenheim betrug
sie 138 Einwohner/km2 und lag damit 64 % über dem Landesdurchschnitt, so
daß es nicht verwundert, daß das Amt Ettenheim nach den Ämtern Freiburg
und Säckingen im Großherzogtum am dichtesten besiedelt war.112

Sicherlich wirkte sich auch in unserer Gegend die Verschuldung und die Lebensmittelteuerung
aus; betrachtet man den Brotpreis von 30 Kreuzern für ein
4 Pfund Laib und den Wochenlohn eines Handwerkers 120 Kreuzern (= 2 fl)
bei einer täglichen Arbeitszeit von 11—13 Stunden, so wird der Bericht eines
Ortsgeistlichen aus einem Rebort am Rhein verständlich:

„Die Not und der Mangel an Lebensmitteln hat hier einen so hohen Grad erreicht
, daß viele Familien sich bisher wochenlang nur von Gemüse ernährten.
Die Eltern beklagen sich, sie könnten die Kinder nicht in Kirche und Schule
schicken, weil sie oft gar nichts zu essen haben.""3

Daß Not und Elend ihren Teil zu der Revolution beitrugen, zeigt sich auch
daran, daß von 27 verurteilten Revolutionsteilnehmern 14 total vermögenslos
oder überschuldet waren."4

Diese widrigen Verhältnisse wurden im Amt Ettenheim durch einige Umstände
gemildert: Fruchtbare Böden und klimatisch günstige Lage, Vorherrschen
der Mischagrarwirtschaft und dadurch geringere Anfälligkeit gegen Mißernten
, gute Verdienstmöglichkeiten durch den Anbau von Handelspflanzen wie
z.B. Tabak und Hanf, teilweise Beschäftigung durch Heimarbeit, Steigerung
der Wirtschaftskraft durch den hohen Anteil von Juden (nach den Ämtern
Mannheim und Radolfzell war Ettenheim das Amt mit den meisten Juden im
ganzen Großherzogtum115), günstige Verkehrslage, Versorgungs- und Verwaltungsfunktion
der Stadt Ettenheim (Märkte, Handwerk, Handel, Schulen,
Apotheken, Gaststätten usw.).

Alles in allem gesehen, mußten die Bewohner des Amtes unzufrieden gewesen
sein, viele am Rande des Existenzminimums gestanden haben; betrachtet man
aber andererseits die teilweise verheerenden Umstände in Baden, so kann man
annehmen, daß sich die Bewohner des Amtes Ettenheim in einer relativ günstigen
Lage befunden haben müssen.

Es ist für uns heute nicht einfach, die Beweggründe unserer Vorfahren zu begreifen
, die sie veranlaßt haben, eine „Revolution" zu unterstützen, weil man
die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse jener Zeit nur
schwer begreifen kann. Hinzu kommt, daß die politischen Forderungen, für
die unsere Vorfahren gekämpft haben, für uns verfassungsmäßige Selbstver-

112 Universal-Lexikon, Allgemeiner Teil Spalte 26—30

113 F. Kistler, Die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Baden 1849—1870. Freiburg 1954. S. 184

114 GLA 237/16844

115 Universal-Lexikon, Allgemeiner Teil Spalte 26—30

173


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1982/0175