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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
62. Jahresband.1982
Seite: 187
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Seligsohn noch im gleichen Jahr verkauften. Der einflußreiche Generaldirektor
Zangen trat im Umgang mit den nationalsozialistischen Machthabern
selbstbewußt auf. So konnte er ein vorzeitiges Bekanntmachen der Übernahme
von Netter & Jacobi durch den „Völkischen Beobachter", der von der bevorstehenden
Transaktion Wind bekommen hatte, ebenso verhindern wie Versuche
von NSDAP-Stellen, Mannesmann wegen der „Entjudungsgeschäfte"
noch einmal zur Kasse zu bitten. Wenn auch der Mannesmann-Vorstand
gegenüber den jüdischen Inhabern mit größtmöglicher Schonung und im Rahmen
kaufmännischer Regeln verfuhr, so gehörte die Firma doch in den folgenden
Jahren zu den größten Nutznießern der „Arisierung", und die Teilhabe
an solchen Praktiken ließ den Schluß zu, daß Zangen wie viele andere Führungskräfte
der Wirtschaft den Willen der Machthaber zum Krieg und zur
„Endlösung" zwar nicht teilten, ihm aber keinen Widerstand entgegensetzten
und sich nach Kräften an der Ausführung dieses Programmes beteiligten18. So
leistete Zangen im November 1938 der Berufung zum Leiter der „Reichsgruppe
Industrie" durch Wirtschaftsminister Funk Folge. Die Reichsgruppe, die
ständische Vertretung der Großindustrie, wirkte an allen wichtigen wirtschaftspolitischen
Entscheidungen mit und war das maßgebliche Gremium zur Organisation
der Rüstungsindustrie im Kriege.

Die ehemaligen Inhaber der Netter & Jacobi-Werke hatten — wie so oft in der
Geschichte des Unternehmens — Gespür für politische Entwicklungen bewiesen
, denn ein halbes Jahr später, am 12. November 1938 — unmittelbar nach
der „Reichskristallnacht" — fand jene berüchtigte Ministerbesprechung bei
Hermann Göring statt, die die Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben
besiegelte. Ludwig Netter und Dr. Seligsohn-Netter emigrierten im Frühsommer
1938 in die Schweiz bzw. nach Großbritannien. Nicht für alle Nachkommen
von Wolf Netter und Salomon Jacobi ging es so glimpflich ab19.

Die Niederlassungen in Bühl und Hausach wurden Werksabteilungen der
Mannesmann-Stahlblechbau AG. Da Bühl 1938/39 nur 4,7 °Io und Hausach
7,3 °Io am Gesamtumsatz der Gesellschaft ausmachten, beschloß der
Mannesmann-Vorstand am 14. März 1938, Bühl stillzulegen und Hausach
„zu einem guten Preis" an die Saarwerke Dillingen oder Röchling zu verkaufen
. Die Buchhaltung für die süddeutschen Betriebe wurde von Frankfurt

18 Mannesmann-Archiv: M 17 300, 17 304, 17 339, 17 400. K. Pritzkoleit, Die neuen Herren. Düsseldorf. Die
Mächtigen in Staat und Wirtschaft. Wien-München-Basel 1955, S. 378-383. G. W. Hallgarten — J. Radkau,
Deutsche Industrie und Politik von Bismarck bis heute. Frankfurt-Köln 1974. S. 250-269. 75 Jahre Mannesmann
. Geschichte einer Erfindung und eines Unternehmens. 1890-1965. Düsseldorf 1966, S. 124-126.

19 Internationales Militärtribunal Nürnbeg (IMT), Dokument D 1816 PS: Stenographische Niederschrift von
einem Teil der Besprechung über die Judenfrage unter Vorsitz von Feldmarschall Göring im RLM am 12.
November 1938, 11 Uhr. Emil Netter, der in der „Arbeitsgemeinschaft der Jewish Agency und des Keren
Hajessad" in Frankfurt für die Emigration nach Palästina warb, beging 1936 Selbstmord (Dokumente zur
Geschichte der Frankfurter Juden 1933-1945. Frankfurt 1963. S. 399 f., 547.). Die Schwester von Dr. Erwin
Jacobi, der 1934 nach Palästina ausgewandert war und später bei Paul Hindemith in der Schweiz in Musikwissenschaft
promovierte, hatte sich 1935 das Leben genommen, seine Mutter starb 1943 in Theresienstadt.

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