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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
62. Jahresband.1982
Seite: 241
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1982/0243
Adolf Geck im Urteil August Bebels

Der Verlust des Reichstagsmandats bedeutete für Adolf Geck eine erhebliche
Einbuße an politischem Einfluß und eine Minderung seiner ohnehin schwachen
Position, die Peter Nettl einmal knapp mit den Worten charakterisierte:
,,ein Radikaler, der verloren in der revisionistischen Einöde Badens saß".67
Als sich Marie Geck über die unerfreuliche Lage ihres Mannes bei August
Bebel, dem engen Freund des Hauses, im Sommer 1913 beklagte, konnte sie
nicht ahnen, daß sich dessen Gesundheitszustand nach seinem öffentlichen
Auftreten bei der deutsch-französischen Verständigungskonferenz an Pfingsten
in Bern inzwischen bedenklich verschlimmert hatte. Bevor Bebel nach
dem Graubündener Kurort Passugg reiste, antwortete er am 17. Juli, knapp
vier Wochen vor seinem am 13. August erfolgten Tod. Marie Geck war in ihrem
Brief auch auf die alte Geschichte vom Verkauf des „Volksfreund" zurückgekommen
, worüber Bebel nicht gerade entzückt war: „Ich will hierüber
kein Wort mehr verlieren, denn wir verständigen uns doch nicht. Außerdem
regen mich alle diese Erörterungen auf, und das ist Gift für mich. Strich drunter
und Schwamm drüber".68 Die freundschaftliche Offenheit in der Antwort
Bebels vermittelt uns eine wertvolle Charakterisierung der Persönlichkeit
Gecks:

„Unser Urteil geht aus verschiedenen Gründen auseinander. Du siehst in ihm den guten Menschen
, Gatten, Familienvater, ich betrachte ihn als Parteimann. Als Mensch steht mir Adolf auch
so hoch wie einer, als Parteimann hat er schwere Fehler gemacht, sonst konnte er in die jetzigen
Situationen nicht kommen. Du schreibst, Adolf sei in den letzten 12 Jahren absichtlich zu dem gemacht
worden, was er heute ist. Liebe Marie! Adolf war einst in Baden landauf, landab der populärste
Mann, und man kann niemand zu dem machen, was er ist, wenn er sich mit den geeigneten
Mitteln dagegen wehrt. Ein Führer, der unter den Schlitten kommt, trägt nach meiner mehr als
50jährigen Erfahrung in der Bewegung ein gut Teil der Schuld, daß es so kam. Deshalb braucht er
kein Verbrecher, kein Schuft zu sein, es genügt, wenn er sich von den Schuften an die Wand
drücken läßt, statt sie an der Gurgel zu packen. Ein Kerl wie Kolb wäre niemals zu seiner heutigen
Stellung gekommen, hätte Adolf ihn entsprechend zu behandeln verstanden. Dem Kolb hatte er
die Popularität, die Ehrlichkeit und den Charakter voraus, und in der Intelligenz konnte er es mit
ihm aufnehmen. Statt dessen räumt er dem und seinen Kumpanen gegenüber das Feld, gibt Position
um Position preis, zieht sich in den Schmollwinkel zurück und überläßt seinem Feinde das
Feld.

Wer in der Politik steht, muß sich nicht scheuen, auch Dreck anzufassen, und auch im Bewußtsein
seines guten Rechts und seiner Ehrlichkeit dem Feinde an die Gurgel springen und ihn entlarven
, wo er kann.

Nun ist Adolf der beste Mensch, den es gibt, aber er ist keine Kampfnatur. Das ist sein Fehler,
und der besiegelt sein Geschick. Ein weiterer Fehler war, daß er sich viel zu sehr in den Schmollwinkel
zurückzog und sich so allmählich auch dem Gros der Parteigenossen entfremdete. Wenn er
in dieser seiner Taktik nicht eine Änderung eintreten läßt, verliert er auch noch den letzten Boden.
Er soll sich nicht den Kolb und Konsorten an den Hals werfen, das verlangt niemand, aber er muß
mit den Massen mehr Fühlung suchen. Es gibt eine Masse Parteigenossen, die froh sind, wenn er
wieder in Reih und Glied tritt und mit ihnen fühlt und denkt.

Freilich, sein jetziger Gesundheitszustand erschwert ihm das sehr, denn er kann nicht wie er will,
das sehe ich an mir selbst. Vor allem muß er den Glauben zerstreuen, als stehe er im Isolierwinkel.
Er lasse die Kolb und Konsorten links liegen, als seien sie nicht vorhanden. Er hüte sich aber, auch

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