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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
62. Jahresband.1982
Seite: 260
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noch kurz vor dem Waffenstillstand zum Opfer fallen würde. Als Leutnant
d. R. fiel er am 23. Oktober 1918 bei Poix du Nord in der Gegend von Bavay
(westlich von Maubeuge). Aus dem Abschnitt vom westlichen Kriegsschauplatz
, wo Brandel als Abteilungsführer im Stabe des aktiven 2. Hessischen
Inf.-Regiments 116 lag, meldete der Heeresbericht für jenen Tag nur kurz:
„Teilkämpfe in der Scheideniederung beiderseits von Tournay und Valencien-
nes".

Georg Monsch notierte in seinem Kriegstagebuch:

„Leutnant Brandel Geck ist gefallen. Ermordet, dieser hochbegabte Held. Diese Schreckenskunde
brachte der Redner Dittmann, der einen politischen Vortrag im Hanauerhof abhielt. Der Abg.
Adolf Geck empfing auf dem Weg zur Versammlung das grausige Telegramm. — Brandel, von
der Natur verschwenderisch ausgestattet mit herrlichem Talent zur Wissenschaft, Musik, Gesang,
Beredsamkeit, einem goldnen lieben Gemüt und Frohsinn. Noch war sein Werdegang unvollendet
, von der Universität weg eilte er zur Fahne, erwarb das Eiserne Kreuz I. und II. Kl. nebst sonstigen
Orden mehrerer deutscher Staaten. Die sozialdem. Partei erhoffte in ihm einstens einen
Führer mit scharfem Verstand und reichen Kenntnissen, aber auch mit einem treuen, guten Herzen
zum Aufstieg und zum Wohlergehen des internat. Proletariats, zum Segen der gesamten
Menschheit. Nun ist er diesem sinnlosen Weltkrieg, der nur im Interesse der herrschenden Kaste
aller Länder geführt wurde, zum Opfer gefallen, kurz vor dem Zwange des Friedens."

Brandel hatte 1916 Hilde Trapmann geheiratet, die nun mit dem Kind Ingeborg
das Schicksal unzähliger Kriegerwitwen zu tragen hatte. Schon in jungen
Jahren war er mit seinen Geschwistern in den Freundeskreis der Eltern einbezogen
worden: „Die Ferienwochen reichten manchmal nicht aus, um allen
Freunden den Wunsch, die Geckschen Kinder aus Offenburg beherbergen zu
können, ausreichend zu erfüllen."11S Bald gehörten auch „Onkel" Bebel oder
„Tante" Clara (Zetkin) zu seiner politischen Umwelt. Eine herzliche Zuneigung
für ihn hegte auch Rosa Luxemburg, die ihm über den politischen
Meinungsaustausch hinaus in seinen kranken Tagen in ihrem Brief vom
12. 11. 1913 („Mein lieber Kleiner!") optimistisch zusprach: „Du bist so
jung. Du hast die Zeit, alles zu erreichen, was Du Dir wünschest!"116

Vier Wochen vor dem Tode Brandeis erbat sie sich auf einer Postkarte vom
14. 9. von „Adolfus", der ihr in das Gefängnis in Breslau den „Alten" geschickt
hatte, detaillierte Neuigkeiten von allen, insbesondere von den Söhnen
und Töchtern. Die schreckliche Nachricht erreichte sie in Berlin, wo sie nach
ihrer Befreiung durch die Revolution am 10. November eingetroffen war.
Brandel war 5 Jahre alt gewesen, als seine Mutter zu Beginn des Oktober 1898
auf dem Stuttgarter Parteitag der Sozialdemokraten im Dinkelackersaal in
Stuttgart zum ersten Mal Rosa Luxemburg begegnete. Marie Geck wurde von
den wundervollen Augen aus dem durchgeistigten Gesicht der gebrechlichen,
kleinen Gestalt gefangengenommen. Als das scheinbar „hilflose Menschenkind
" das Rednerpult bestieg, überkam sie Mitleid, um dann von ihrer Rede
gefesselt zu werden: „Wie sprach aus jedem Satze die konsequente, kühne Revolutionärin
.""7 Seit jenem Parteitag verband die beiden Frauen eine treue
Freundschaft bis zur letzten Stunde. Am tiefsten wurde dieses Freundschafts-

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