Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
62. Jahresband.1982
Seite: 266
(PDF, 76 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1982/0268
Blutig verlief dagegen am gleichen Morgen ein Zwischenfall in Kehl. Dort war
man vom Bahnhof Appenweier informiert worden, daß ein Zug elsässischer
„Bolschewisten" unterwegs sei. In ihm befand sich eine größere Anzahl von
Matrosen, und offenbar hatte man sich in Appenweier nicht die Mühe gemacht
, sich in dem Wagen näher umzuschauen, denn die Matrosen waren unbewaffnet
. In Kehl wurde Alarm gegeben, die Schienen gesperrt und, nach einem
Bericht der „Schwarzwälder Volksstimme" v. 11. 11. 18, auf Befehl eines
Hauptmanns — anscheinend Kommandeur des Kehler Pionier-Ers.-Batl.
Nr. 14 — in den Zug hineingeschossen: „Eine Frau und ein Matrose kamen
dabei ums Leben, wie wir von Augenzeugen hören, und 6 Menschen wurden
verwundet ..."

In Offenburg stellte die Minenwerferabtl. an verschiedenen Plätzen der Stadt
Posten auf und belegte die städtische Wachstube. Ihre 22 Offiziere wurden in
den Hotels untergebracht.

Ein provisorischer Soldatenrat formierte sich nun auch bei den 170ern; in Gemeinschaft
mit dem SR der 172er wollte er die Bewegung „in geordnete Bahnen
" leiten. Zu diesem Zweck wurde eine gemeinsame Sitzung der Vertrauensleute
beider Formationen für den Vormittag des 10. November vereinbart.

Die Umwälzung in der Residenz

Von Offenburg und Lahr liefen die Fäden auch nach Karlsruhe. Bei Adolf Geck holte sich der
Vorsitzende der Karlsruher Unabhängigen Hans Berkenkopf Anweisung für die Organisation der
Bewegung. Aus Lahr eilte Reichmann in die Hauptstadt, wo am 8. November mit etwas Verspätung
nach einer vorübergehenden Verhaftung Kieler Matrosen, darunter der Karlsruher Hermann
Schehr, eingetroffen waren. Wohl auf ihre Initiative und unter dem Einfluß der Ereignisse in
Lahr und Offenburg versammelten sich am 9. November die Soldaten der Garnison zur Bildung
eines Soldatenrates auf dem Bahnhofsplatz,123 wo sich rasch die Nachricht von der Abdankung
des Kaisers und der Übertragung der Geschäfte des Reichskanzlers durch Prinz Max von Baden
auf Ebert verbreitete .124 Von dort marschierten sie unter Führung unabhängiger Sozialdemokraten
und des unterwegs dazugekommenen Matrosen Schehr zum Rathaus. Das Ergebnis der vorläufigen
Wahl des Soldatenrates bewies, daß in Karlsruhe an diesem Tag die Unabhängigen das
Sagen hatten: zum 1. Vorsitzenden wurde der Unabhängige Brümmer gewählt, zum 2. der Korporal
Weser und zum Schriftführer Berkenkopf. Der wie Brümmer aus Mannheim stammende Unabhängige
Albert Böpple verkündete vom Balkon des kleinen Rathaussaales, daß der Soldatenrat
jetzt die Macht in Händen habe und bestimmen werde. Er schloß mit einem Hoch auf die Republik
. Ungeachtet des frommen Wunsches des zum Reden aufgeforderten sozialdemokratischen
Stadtrates Heinrich Sauer: „Kameraden, Mitbürger, geht jetzt ruhig nach Hause!" übernahm der
Soldatenrat noch am gleichen Abend die Kasernen, das Bezirksamt, Proviantamt und die Post
und setzte noch in der Nacht zum Sonntag beim stv. Generalkommando die Annahme seiner Forderungen
durch, die mit unwesentlichen Abweichungen vom SR in Kiel übernommen wurden.
Aber die Weichen für die weitere Entwicklung waren bereits gestellt. Während des Marsches der
Soldaten zum Rathaus hatten dort Abgeordnete, Bürgermeister, Stadträte, Stadtverordnete und
Gewerkschaftsfunktionäre einen „Wohlfahrtsausschuß" konstituiert und den Geschäftsführer
des Deutschen Metallarbeiterverbandes, Heinrich Sauer, zum Vorsitzenden gewählt.
Den Zweck dieses Ausschusses schilderte Heinrich Köhler (Zentrum), später Minister und Staatspräsident
: „Als sich der uns bereits gemeldete Zug des Soldatenrats vom Bahnhof her gegen das

266


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1982/0268