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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
62. Jahresband.1982
Seite: 381
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1982/0383
Bürgermeister Blumenstock hatte er die Niederschrift
von Fritzsche kurz vor dessen Tod
erhalten. Sie waren allerdings nicht, wie Blumenstock
irrtümlich angab, auf der Maifeier
1928 vorgetragen worden, um den Jüngeren
aus der Sturm- und Drangzeit der Sozialdemokratie
zu berichten, sondern erst am 20. Oktober
jenes Jahres. Die SPD hatte für diesen Tag
eine Erinnerungsfeier an die Zeit vor 50 Jahren
anberaumt: „Die Geburt des Sozialistengesetzes
". Die geschichtliche Erläuterung gibt Redakteur
Ad. Geck; als Opfer der Ausweisung
aus Berlin wird Alt-Stadtrat R. Fritzsche seine
persönlichen Erlebnisse schildern (D'r alt Of-
feburger v. 20. 10. 1928). Der 1. Teil erschien
am 17. 9. 1932 anläßlich der tags darauf erfolgenden
Einweihung eines Kindertagesheimes
beim Kalbsbrunnen, das von der Arbeiterwohlfahrt
mit einer testamentarisch vermachten
Spende von Fritzsche errichtet worden war.
In den „Erinnerungen" von Hermann Merkel
zählt Adolf Geck mit August Dreesbach, Wilhelm
Hänsler, Robert Kramer, Dr. Rüdt neben
anderen zu jenen, deren Namen mit der badischen
Sozialdemokratie untrennbar verbunden
sind, und auch Wilhelm Kolb kann in seinem
Beitrag „Aus vergangenen Tagen" nicht umhin
, Adolf Geck die ihm gebührende Ehre zu
erweisen: „Wenn heute die badische Partei mit
Stolz auf die vergangenen 25 Jahre und auf ihre
in dieser Zeit errungenen Erfolge und Siege
zurückblickt, so wissen wir alle, welch großen
Anteil gerade der Volksfreund und vor allem
sein Gründer und langjähriger Leiter, Genosse
Adolf Geck, an diesen Erfolgen und Siegen haben
" (14. 4. 1906).

Zwei weitere Aufsätze stammen von Heinrich
Sauer und Adam Remmele. Sauer wurde 1919
als erster Sozialdemokrat in Karlsruhe in das
Amt eines Bürgermeisters gewählt, hatte aber
gewiß an den revolutionären Vorgängen 1918
in Karlsruhe keinen führenden Anteil. Er lehnte
eine Beteiligung an der Gründung eines Soldatenrates
ab, die seiner Meinung nach vom
Generalkommando durchgeführt werden sollte
(Oeftering, Der Umsturz 1918 in Baden,
S. 69). Ihn hatte der Oberbürgermeister am
9. November zum Bahnhof geschickt, um die
dort versammelte Masse zu beruhigen. Der
Vorsitzende des Karlsruher „Wohlfahrtsausschusses
" war so wenig revolutionär wie Adam
Remmele, der im November 1918 in den „engeren
Ausschuß" des Landesausschusses der
Arbeiter- und Soldatenräte gewählt wurde.
Was die Auswahl der Autoren betrifft, kann
nur Hermann Merkel der „Linken" zugerechnet
werden. Wie Geck trat er der USPD bei
und schloß sich später wieder der SPD an.

E. D.

Irene Hübner, Unser Widerstand.
Deutsche Frauen und Männer berichten
über ihren Kampf gegen die Nazis.

Röderberg — Verlag Frankfurt a.M. 1982,
DM 19,80

Die Zeitgeschichtsschreibung greift nicht mehr
nur auf Akten, diplomatisches Dokumentar-
material, Memoiren und Primärpublikationen
zurück, sondern bedient sich zunehmend der
Methode „oral history", der mündlichen Befragung
von Zeitgenossen. Im demokratischen
Zeitalter muß zunehmend das Interesse dem
„kleinen Mann" gelten, denen also, die Geschichte
nicht machen, sondern sie erleiden.
Dadurch kann die Spannung zwischen großen
Haupt- und Staatsaktionen und Alltagsgeschehen
, zwischen politischer Geschichte und privatem
Schicksal fruchtbar aufgelöst werden.
Die Biographie der einzelnen beziffert sich somit
plötzlich mit der Signatur des Historischen
.

Zum ersten Mal hat Irene Hübner den Versuch
unternommen, alle Richtungen des deutschen
Widerstandes gegen den Nationalsozialismus
auf der Basis mündlicher Befragungen zu dokumentieren
: „Die erkennenden, handelnden,
sich wehrenden und kämpfenden Menschen
sollten selbst sprechen." Aus der Ortenau
kommt in diesem Buch der inzwischen verstorbene
Nußbacher Volksbürosekretär Carl Benz
zu Wort, der über sein Engagement in der katholischen
Jugendbewegung in den Widerstand
hineingewachsen ist. Benz hatte sich bereits
vor der NS-Machtübernahme als Kochlehrling
in Durlach dem Kolpingsverein und der „Badenwacht
" des Zentrums angeschlossen. In
Nußbach baute Benz den katholischen Jungmännerverein
aus, der bald nach der Etablierung
des Nationalsozialismus trotz Reichskonkordats
sich starken Pressionen durch die örtliche
SA ausgesetzt sah. Modellhaft wird zugleich
sichtbar, wie sich das Zusammenleben innerhalb
des Dorfes während der NS-Herrschaft
gestaltete.

Als Jugendsekretär im Bistum Limburg war
Benz seit 1938 an gefährlichen Widerstandsaktionen
, wie der Verteilung katholischer Schriften
und der Reorganisationen katholischer
Vereine beteiligt. Erschütternd lesen sich seine
Erlebnisse nach der Reichskristallnacht, als er
internierte Juden zu verpflegen hatte. Auch die
anderen Beiträge — Widerstandskämpfer aus
dem Umkreis des 20. Juli, der „Weißen
Rose", der Gewerkschaften, der Arbeiterparteien
, der evangelischen und katholischen
Kirche kommen zu Wort — machen betroffen
, weil sie selbst tiefer Betroffenheit entspring
™- H. G. Huber

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