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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1983/0129
Vor dem Ende der alten Welt

Aus den Aufzeichnungen des Joann Conrad Machleid1
Hubert Kewitz

Seit 1755 hatte der Ettenheimer Stadtchirurgus Machleid alles gesammelt und
aufgeschrieben: Naturereignisse, historische Reminiszenzen, Lesefrüchte,
Lebensweisheiten, Weinpreise, Ämterwechsel, Prozessionen, Hochzeiten,
Taufen, Todesfälle: den kleinen Kosmos der zweiten Heimat. Die höchst originelle
Handschrift des gebürtigen Villingers wurde in den letzten Jahren
mehrfach ausgewertet; sie ist, dank seinem Sinn fürs Konkrete, seiner Liebe
zum signifikanten Detail, die gewichtigste Quelle zur Geschichte Ettenheims.

Das Ende seines Lebens und Schreibens fiel dann ins Ende der barocken Welt.
Die Schriftzüge des Achtzigjährigen werden schwächer, schwerer lesbar; eine
immer schon vorhandene Hinneigung zum Grotesken tritt stärker hervor; eine
Irritation, die er nicht versteht, der er nicht Herr wird, durchfährt die Seiten.
Nach dem Ausbruch der Revolution hat er bis zu seinem Tod (1794) nur noch
ohnmächtig die Fakten verzeichnet, die unruhige Fülle der immer bewegter
werdenden Emigrantenzeit. In den Jahren vor 1789 war er sehr sensibel für die
vielen Anzeichen einer rapiden Veränderung, den Verlust der Pietät, den Abstieg
ins Gröbere, in Mord und Selbstmord: einer der großen Bluträusche der
Geschichte kündigte sich an.

Vorzeichen gab es genug. So war am 13. Februar 1779 „abents zwischen 6 und 7
uhr ein große bluetröthe an dem himmel gesehen worden, mit großen weißen
Striemen, so von Walburg her oder aus dem hochtal gegen den Rhein hinunder
gezogen (. . .) NB: man hat die Sternen dannoch in der röthen gesehen". Auch
war der Kometstern von 1769, der im August und September 17 Tage lang am
nachmitternächtlichen Himmel gestanden hatte, noch nicht vergessen. Aufmerksam
war man auch auf „die schwarz blaue dupfen oder moßen
(Flecken)" an den Trauben: „es haben einige alte männer gesagt, es seye me-
rer gewesen, Vom wetterleichen (Wetterleuchten) als Von haglen".

1782 betrat Martin Fuetterer, Bürger und Bauersmann, die Bahn, die ihn zu
seinem fernen Tod in ,,Sizilien" führte. Am 9. Heumonat (Juli) brach er aus

1 Die Machleid-Handschrift (Bd. 1, 1755-76 u. Bd. 2, 1776-94) befindet sich in Ettenheim im Besitz der Familie
, die sich auch alle Rechte vorbehält.

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