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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1983/0152
chen Ausdehnung der Ballungsgebiete entsprach ein absoluter, zumindest jedoch
relativer wirtschaftlicher Bedeutungsverlust der ländlichen Räume.

Für die Amtsbezirke Achern und Bühl kann für die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg
nur von einer relativen Bedeutungsminderung gesprochen werden, von
einer gegenüber den sich entwickelnden Industriezentren stark abgebremsten
wirtschaftlichen Weiterentwicklung, nicht aber von einem wirtschaftlichen
Rückgang. Ein schwerwiegendes Hemmnis, das sich einer Industrialisierung
entgegenstellte, war der Mangel an Investitionskapital. Privatkapital war bei
der gegebenen Sozialstruktur nicht zu erwarten, auch Großgrundbesitz und
Großhandel als Vermögensbildner existierten nicht. Außer den Sparkassen,
die aber aufgrund ihrer kleinen Einlagen und ihrer andersgelagerten Zielsetzung
hier nicht in Betracht kommen, bestanden keine Banken, die als Kapitalvermittler
hätten auftreten können. Um aber Investitionen von auswärts heranzuziehen
, fehlte der unmittelbare Anlaß. Wie denn über den Kapitalmangel
hinaus, der sich durch verstärkte Initiative hätte überwinden lassen, wesentlich
erscheint, daß kaum ein Ansatzpunkt für eine Industrialisierung im Räume
selbst vorhanden war oder zum Tragen kam. Anders als beispielsweise im
benachbarten Murgtal stellten die Hammerwerke in Bühlertal ihren Betrieb
ein, ohne Nachfolgeindustrien hervorzubringen, und blieben die Papierfabriken
im Achertal mittelständische Unternehmen. Anders als im südlichen
Schwarzwald und an der Schweizer Grenze bestand kein ländliches Hausgewerbe
, das zur Grundlage einer modernen Industrie hätte werden können.
Während Baden insgesamt seit 1870 aus dem ersten Stadium der Industrialisierung
, das durch den Ansatz und das Wachstum der Konsumgüterindustrie
gekennzeichnet ist49, herauswuchs und der Schwerpunkt der industriellen Entwicklung
sich auf die Investitionsgüterindustrie verlagerte, verharrte das Gebiet
der beiden Amtsbezirke bis weit ins 20. Jahrhundert hinein bei eindeutiger
Vorherrschaft der Nahrungs- und Genußmittelindustrie, der Holzbe- und
-Verarbeitung und der Industrie der Steine und Erden in diesem Frühstadium.

Wurde oben die Bevölkerungsentwicklung, namentlich die Abwanderung, mit
der vergleichsweise ungünstigen Wirtschaftsstruktur erklärt, so muß auf der
anderen Seite auch die zementierende Wirkung der Abwanderung auf diese
Struktur berücksichtigt werden. Da das geringe Angebot an nichtlandwirtschaftlichen
Arbeitsplätzen gerade von der aktiveren Bevölkerung, soweit sie
nicht an den landwirtschaftlichen Betrieb gebunden war, mit dem Wegzug beantwortet
wurde, konnte kein Potential an qualifizierten oder rasch zu qualifizierenden
Arbeitskräften für eine Industrie entstehen. Welche Schwierigkeiten
schon das örtliche Handwerk hatte, geeignete Arbeitskräfte zu bekommen,
spiegelt eine Notiz im Jahresbericht 1882/1883 des Bezirksamtes Bühl50, nach
der sich Schreiner und Schuhmacher in Bühl und Steinbach, wo die meisten
reisenden Handwerksburschen zum Übernachten eintrafen, darüber beklagen
, „daß wenn sie solche einstellen wollen, weil sie deren sehr benötigt sind,
sie solche nicht bekommen können, indem Letztere meist als Entschuldigung

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