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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1985/0070
nicht nur aus rein historischem Interesse, sondern oft auch aus einem Gefühl
der Identifikation heraus, das dem einzelnen durch das Zusammenleben mit
anderen früher oder später zum Bedürfnis wird.

Hier nun liegt unsere Chance als Historiker und als Geschichtsverein: Daß wir
diesem Bedürfnis entsprechen, Antworten geben und über die Dimension des
Geschichtlichen dem einzelnen in seiner Gemeinde Grundlagen und Orientierung
verschaffen. Nicht daß es dabei darauf ankäme, irgendwelche „Bekenntnisse
zur Heimat" abzulegen; dafür, so meine ich, gibt die Geschichte unserer
Städte und Dörfer wenig Anlaß. Wie sollte sie auch, war das Leben der Menschen
in der Vergangenheit weit mehr von Unfreiheit, Herrschaft, Not und
Katastrophen bestimmt, als wir uns heute vorstellen können. Als im Jahre
1590 das Städtchen Schiltach zum dritten Male abgebrannt war, gerieten seine
Bürger, wie es heißt, „in Zweifel und Superstition" (Aberglauben) und weigerten
sich, weiter an diesem unglückseligen Ort zu wohnen. Der Landesherr
im fernen Stuttgart sah daraufhin seine strategischen Interessen an diesem
Platz gefährdet und zwang die abzugsbereiten Schiltacher einfach per Befehl
zum Bleiben und zum Wiederaufbau3. Es wäre unredlich, diese Seite der Geschichte
unserer Gemeinden zu unterschlagen: Das permanente Ausgeliefertsein
an die Kraft der Elemente, an die Macht von Herren und die Gewalt von
Systemen, das sich bis in unser eigenes Jahrhundert verfolgen läßt.

Hier liegt bei den gegebenen Anlässen eine unserer Hauptaufgaben, nämlich
zu zeigen, wie es war und wie es geworden ist. Nur über dieses Wissen läßt sich
erreichen, was wir alle wollen: Daß die Bürger unseren Gemeinden sich wieder
zugehörig fühlen und Sinn für Tradition und Geschichte entwickeln.

Die Schwierigkeit ist dabei nur, daß unser „historischer Gegenstand" kein
einfacher und zudem meistens auch ein sehr ferner ist. Was berühren uns heute
die Zustände im Mittelalter, was gehen uns die Verhältnisse der frühen Neuzeit
an? Die Antwort darauf kann sehr kurz ausfallen: Wir kommen von dort;
wir stehen mit unseren Füßen auf dem Boden, der damals beackert worden ist
und, wenn wir uns nur die Mühe machen, uns umzuschauen, so treffen wir
auf Schritt und Tritt auf Zeugnisse und Denkmäler, die aus jenen fernen Zeiten
in unsere Tage hineinragen. Gerade unseren Gemeinden sind durch ihre historisch
gesetzte Lage Existenz- und Entwicklungsbedingungen auferlegt, die
je nachdem förderlich oder auch beengend sein können. Dazu kommt, was ich
die „kollektive Erinnerung" nennen möchte, die in jedem Gemeinwesen besteht
und manchmal sehr weit in die Vergangenheit zurückreicht. Unvergessen
sind in Schiltach Brände, Hochwasser und der Herzog von Urslingen als
Stadtherr. In Wolfach lebt die hochmittelalterliche Gräfin Udilhild als Sagengestalt
weiter, und daß hier bis ans Ende des letzten Jahrhunderts die Flößerei
Arbeit und Brot gesichert hat, daran erinnerten Wolfacher Bürger bei ihrem
Jubiläumsfest, als sie den Bau und die Fahrt eines Kinzigfloßes vorgeführt ha-

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