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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1985/0107
gung ziehen, drängt sich der Verdacht auf, daß die Reliquien des Abts Landelin im Hennegau, die
nach der Aussage vieler an einige Orte Deutschlands verbracht wurden, auch zu jenem Kloster gelangt
sind, und daß sich so für jemand, der die Geschichte des hl. (Abtes) Landelin nicht kannte,
die Gelegenheit ergab, aus dem Bekenner einen Märtyrer, aus dem Belgier oder Franzosen einen
Schotten zu machen. Die in späteren Jahrhunderten bewirkten Wunder können durchaus wahr
sein, auch wenn man einen solchen Irrtum annimmt. Die ersten Wunder aber, ebenso das Martyrium
und alle Umstände, was und wie sie berichtet werden, erscheinen ganz und gar verdächtig.
Unseren Verdacht vermehrt der Tag (21. September), an dem Landelin das Martyrium erlitten
haben soll, da er genau mit dem Tag der Erhebung der Reliquien des Abts Landelin zusammenfällt
."

In Zukunft wußte der Kenner, was von Landelin zu halten war. Vor über vierzig
Jahren wurde die Lehre von seiner Nichtexistenz dann von dem kirchlichen
Archivar Josef Clauss{9 und von Heinrich Feurstein20 mit großer Entschiedenheit
ausgesprochen. Erzbischof Dr. Conrad Gröber war schon dabei, kirchenoffiziell
den Kult des belgischen Landelin in Ettenheimmünster einzuführen.

Der elsässische Kirchenhistoriker Medard Barth aber bat um Aufschub und
hielt 1944 in Freiburg einen Vortrag, der Gröber umstimmte. Barths breitere
Darstellung der Frage lag schon 1951 vor, als Beitrag zu einer geplanten Festschrift
zu Ehren von Josef Rest. 1955 erschien Barths Aufsatz dann im „Freiburger
Diözesan-Archiv"21.

Er konnte vor allem nachweisen, daß der belgische Namensvetter nicht in Frage
kommt. Das ergibt sich aus mehreren frühen Kaiendaren der Straßburger
Kirche, die am 21. September neben dem Tagesheiligen, dem hl. Apostel
Matthäus, einen „Märtyrer Lendelinus" verzeichnen. Barth fand den Eintrag
in einem um 1175 geschriebenen, dem Domstift angehörenden Kalendar ebenso
wie in einem anderen Kalendar des Domstifts, das im letzten Drittel des
11. Jahrhunderts angelegt wurde. Besonders weit zurück reicht aber das um
1000 anzusetzende Kalendar des Straßburger St. Thomasstifts mit demselben
Vermerk, das sich heute in der Münchener Staatsbibliothek befindet22. Daß es
am 21. September 1105 eine zweite Translation des belgischen Bekennerabts
(Fest: 15. Juni) gegeben hat, ist schwerlich beweiskräftig, wenn der Gedenktag
eines Märtyrers gleichen Namens schon hundert Jahre früher unter diesem
Monatstag ins Kalendar von St. Thomas23 eingetragen worden ist.

Wenn die Verehrung Landelins schon im 10. Jahrhundert anzunehmen ist und
es keinen Hinweis auf eine Tätigkeit des Blutzeugen im Elsaß gibt, möchten
wir seiner Legende glauben, daß er mit der Missionierung der Ortenau, näher-
hin mit der Mark Ettenheim, zu tun gehabt hat. Obwohl zwischen seiner ersten
Bezeugung und seiner möglichen Lebenszeit noch zwei bis drei dunkle,
leichtgläubig-wunderfreudige Jahrhunderte liegen, ist seine Existenz doch
nicht unwahrscheinlich, zumal ein Interesse, ihn zu erfinden, noch nicht bestand
. „Die unhistorischen Heiligen sind viel seltener, als angenommen wird,
und nie sollte eine Erscheinung nur um der Legende willen abgelehnt
werden"24.

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