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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1985/0206
alten Gerard eine Übersetzung des „Faust" ins Französische, von der Goethe
selbst lobend sagte: „Im Deutschen mag ich den ,Faust' nicht mehr lesen, aber
in dieser französischen Übersetzung wirkt alles wieder durchaus frisch, neu
und geistreich"1. Bald folgten Übertragungen der Schriften von E. T. A.
Hoffmann, Heine und weiterer deutscher Dichter in die französische Sprache.
Daneben steht Nervals eigenes schriftstellerisches Werk, wo Realität und
Traumwelt immer wieder symbolhaft ineinander übergleiten.

Ein gut Teil seiner anerkannten Übersetzungsarbeit hatte der sprachbegabte
Gerard mit zu Hause erworbenem Wissen vollbracht, ohne je ein deutschsprachiges
Land betreten zu haben. Sehnlich wünschte er daher, das sagenumwobene
„Germanien" mit eigenen Augen zu sehen. Eine erste kürzere Fahrt
durch Deutschland und die Schweiz hat vermutlich 1836 stattgefunden, Belege
hierüber fehlen jedoch2. Um so mehr wissen wir von der großen Reise des Jahres
1838. Jetzt hat Nerval nämlich seine Eindrücke und Erfahrungen in mehreren
französischen Zeitungen veröffentlicht, sie später unter dem Titel „Lorely,
Souvenirs d'Allemagne" in überarbeiteter Form zusammengefaßt.

Mitte August 1838 überquert der fahrende Schriftsteller bei Straßburg den
Rhein, dessen Ufer noch eine aus etwa 60 Pontons gebildete Schiffsbrücke
verbindet. In Kehl angekommen, beeindruckt den Besucher erst einmal die
Vielzahl der Tabakläden, die mit verführerischen Etiketten versehene Rauchwaren
feilbieten. Durch die Rheinebene führt die Reise weiter nach Baden-
Baden, wo Nerval sich im Gasthaus Sonne — heute Schwarzwaldhof, Gernsbacher
Straße 133 — einlogiert. Dort erreicht ihn ein Einschreibebrief mit
einem Wechsel, der die leere Reisekasse auffüllen soll. Der Dichter hinterläßt
sein Gepäck im Hotelzimmer, bezahlt mit letztem Geld die Postkutsche nach
Straßburg, wo er zur Bank eilt. Der Kassier weist ihn indes ab, denn der
Wechsel sei auf den Sohn des Bankiers Eloi gezogen, über die Einlösung könne
nur Vater Eloi befinden. Als Gerard abends erneut vorspricht, wird ihm unwirsch
bedeutet, daß Monsieur Eloi Pere nicht gedenke, auf das Billet etwas
auszuzahlen. Nichts anderes bleibt Gerard übrig, als mit sinkender Sonne auf
Schusters Rappen dem Baden-Badener Hotelzimmer zuzustreben. Ab Bischofsheim
gesellt sich ein französischer Handwerker, den Ranzen auf dem Rücken,
zu ihm. Nerval offenbart, daß er gerade noch 20 Kreuzer besitze. Bis Baden-
Baden käme man in der Nacht nimmer, meint der andere; er wisse aber in
Schöndorf (erfundener Ortsname, vermutlich Freistett) eine preiswerte Gastwirtschaft
, wo man Fußwanderer für einen derart geringen Betrag verköstige
und beherberge. Vor besagtem Gasthof trennen sich die beiden, unser Dichter
zieht alleine weiter. Doch im nächtlichen Dunkel lassen sich die Aufschriften
der Wegweiser kaum noch entziffern, niemand ist unterwegs, obendrein beginnt
es zu nieseln. Da entsinnt sich der Einsame des Rates seines zurückgebliebenen
Weggenossen. Im nächsten Dorfe — ein nicht näher bezeichneter
Ort im Räume Achern muß es gewesen sein — klopft er an einem einfachen
Gasthause an und bittet um Quartier zum Billigtarif für Fußwanderer. Zu sei-

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