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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1985/0225
der Mühlkanal, in dem die riesigen Holzflöße trieben, waren mir neu und
höchst interessant. Das war also die Stadt, in der ich vier Jahre ,uf dr Studi'
zubringen sollte. Studieren hieß in unseren Kreisen so viel wie Pfarrer werden.

Über das letztere zerbrach ich mir den Kopf nicht viel; das Studieren war mir
die Hauptsache. Unser alter Stadtpfarrer und Schuldekan Geistlicher Rat Andreas
Martin, bei dem mein Vater Mesner und ich Ministrant war, hatte mich
in der Schule als Talent entdeckt, das er für die Kirche nutzbar zu machen
suchte. Vielleicht dachte er auch nur, es sei schade, wenn ich mit meinen Gaben
ein Handwerk lernen oder Taglöhner werden müßte. Eine engherzigkirchliche
Absicht hatte er jedenfalls nicht, als er mir die Bahn zum Studium
ebnete, denn er gehörte noch der freieren Wessenberg'schen Richtung an, die
sich neben der ultramontan-jesuitischen Richtung der jüngeren Geistlichkeit
sehr unbehaglich fühlte und sie keineswegs unterstützte." Da Hörth ein gutes
Unterkommen fand, war für das Notwendigste gesorgt: „Bald kam das Stipendium
dazu, und später gab es Gelegenheit zum Erteilen von Privatunterricht
. Es ist mir nicht immer gut gegangen, und oft habe ich den Hosenbund
fester schnallen müssen, um den Magen das Knurren zu vertreiben, aber doch
rechne ich die vier Jahre, die ich in Offenburg zubrachte, zu den schönsten
meines Lebens. Was sollte auch ein Mensch von vierzehn bis achtzehn Jahren
zu klagen haben, wenn er die ganze weite Welt immer wundervoller seinen Augen
sich erschließen sieht und wenn er vollauf damit beschäftigt ist, diese Welt
in sich aufzunehmen und zu verarbeiten?" Auch mangelnden Komfort fand
er nicht beklagenswert: „Unsere Mansarden waren in der denkbar einfachsten
Weise möbliert; dafür kosteten sie auch nur zwanzig Gulden jährlich. Wir hatten
ein Strohsackbett, einen Tisch, zwei Holzstühle, ein Büchergestell, einen
Kleiderrechen und einen eisernen Ofen, den wir im Winter mit Lohkäse heizten
. Auf dem Gang draußen stand ein großer Schrank, in den wir unsere besseren
Kleider taten, wenn wir welche hatten. Bedienung hatten wir wenig; nur
das Bett brauchten wir nicht zu machen und das Zimmer nicht zu kehren; dagegen
mußten wir unsere Stiefel selber putzen, die Kleider reinigen, Wasser
holen usw. Unsere Beleuchtung war eine einfache Öllampe mit grünem Lichtschirm
drüber: das Gas war damals in Offenburg noch nicht eingeführt, und
als es kam, drang es noch nicht in unsere Mansarden. Von der Vortrefflichkeit
unserer Ölbeleuchtung kann man sich einen Begriff machen, wenn ich sage,
daß ich bei Vollmondschein meinen Xenophon fast gerade so gut lesen konnte
wie bei meiner Ölfunzel."

In dieser „Studentenherberge" bei dem Maurermeister Ludwig Haag, seiner
zweiten Unterkunft in Offenburg, ging es noch durchaus ländlich zu: „Der
Bürger von damals trieb ein Handwerk und hatte daneben etwas Ökonomie,
d.h. einen oder zwei Äcker, eine Wiese und meist auch ein Stück Reben." So
hatte auch der Haagelui in seinem Stall eine Kuh und im Hofe den dazugehörigen
Misthaufen mit seinen Düften. Als nun diese Kuh einmal keine Milch gab,
war „Madamm", wie die Hauswirtin von den Schülern gerne tituliert wurde,

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