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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1985/0242
Glück, schwärmte für Klöster usw. Aber das waren Schrullen, denen sein politisches
Verhalten nicht immer entsprach, sonst wäre er nicht in scharfen Gegensatz zu den leitenden
Kreisen der römischen Kirche geraten. Er war seinen Pfarrkindern nicht bloß
ein eifriger Seelsorger, sondern auch ein opferwilliger Berater und Förderer ihres zeitlichen
Wohles.

In meinen Besprechungen tadelte ich seine Schrullen offen, weil sie ihm schadeten. Er
nahm die Kritik manchmal krumm, aber er beachtete sie doch. Die meiste Mühe kostete
es, ihn zu einer größeren Beachtung der künstlerischen Form zu bringen. Als einem
Haslacher Kinde war ihm nicht nur eine große Freiheitsliebe, sondern auch eine reichliche
Gesprächsfähigkeit zu eigen. Wenn er einmal die Feder angesetzt hatte, sprang sie
leicht von einem Gegenstand zum andern und geriet, wie man zu sagen pflegt, vom
Hundertsten ins Tausendste. In seinen Reisebeschreibungen, in seinen historischen
Schriften, seinen Jugenderinnerungen, besonders aber in den Schilderungen des Volkslebens
am Bodensee und im Schwarzwälder Kinzigtale, fanden sich zerstreut manche literarische
Edelsteine, die nur der Schleifung und Fassung bedurften, um in vollem
Glänze zu erstrahlen. Oft drang ich ihn, einmal eine ordentliche Geschichte, eine Novelle
oder gar einen Roman zu schreiben. Das lehnte er immer ab. Er hielt das für Dichtung
, und .Dichter', sagte er, .müssen lügen, und ich kann aber nicht lügen'. Er nahm
sich die Mahnung aber doch zu Herzen und begann zusammenhängende Erzählungen
zu schreiben. Als er mir seinen ,Vogt auf Mühlstein' schickte, mit der rührenden Geschichte
von der Vogts Tochter Magdalena, schrieb er mir dazu: ,Ist's so recht? ,Ich
konnte freudig bejahen. Es folgten dann noch andere Erzählungen: ,Der Leutnant von
Hasle', ,Der steinerne Mann von Hasle' usw. Diese Erzählungen begründeten seinen literarischen
Ruf; sie drangen weit über die katholischen Leserkreise hinaus und eroberten
sogar, wie mich kürzlich ein Brief aus Amerika belehrt hat, Wertschätzung jenseits
des Weltmeeres.

Zu einem Volks- und Bauern-Roman hat es Hansjakob nicht gebracht. Aber das schadet
nichts. Seine literarische Bedeutung liegt in der scharfen und plastischen Darstellung
von Persönlichkeiten und Ereignissen des Volkslebens, und darum darf er den besten
Volksschriftstellern zugezählt werden. Er ist eigentlich der Volksdichter des
Schwarzwaldes, den er mit unendlicher Zärtlichkeit geliebt und in dessen immergrünen
Tannen er sich schon bei Lebzeiten eine stimmungsvolle Grabkapelle geschaffen hat.
Seine ursprüngliche Abneigung gegen .Wibervölker' hat mit zunehmendem Alter sich
gemildert. Die Wertschätzung der Frau bildete ebenfalls einen Gegensatz zwischen uns.
Ich sagte ihm einmal, man dürfe seinen Weiberhaß nicht ernst nehmen: dieser Haß
komme mir vor wie eine Art Dornhecke, die er um sein Herz gepflanzt habe, um jede
für einen katholischen Priester doppelt unziemliche Annnäherung fernzuhalten. Er
suchte sich mit einem Scherze herauszuhelfen. ,Sie wissen ja', sagte er, ,was sich liebt,
neckt sich.' Sein Weiberhaß war in der Tat nur ,mimicry', Schutzfärbung; wo sich Gelegenheit
gab, sprach er mit höchster Achtung von der Frau. ,In schweren Stunden',
sagte er einmal, ,sind die Frauen in der Regel stärker und vernünftiger als die Männer.'
Im übrigen hat ihm seine Derbheit gegenüber den Frauen bei diesen selbst nichts geschadet
; er hat im Gegenteil unter ihnen die wärmsten und eifrigsten Verehrer. Vielleicht
hängt dies damit zusammen, daß manche Frauen gerade vor diesem Manne den
größten Respekt haben, der sie am gröbsten behandelt. Es ist zu hoffen, daß die Anfeindung
, die Hansjakob in seinem Leben erfahren hat, an seinem Grabe Schweigen ge-

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