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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1985/0391
Der verkannte Heilige

Kurt Klein

Als vor Jahren die ehrwürdige Hausacher Dorfkirche, einer der ältesten
Sakralbauten des Kinzigtales, endlich restauriert werden konnte, mußte zuerst
das gesamte Gotteshaus ausgeräumt werden. Davon blieb auch der Glockenturm
nicht verschont. Dort stand schon seit langem eine fast menschengroße
Heiligenstatue, die zuvor aus einer Schranknische in der Sakristei halbversteckt
hervorlugte. Im Grunde stand sie mehr oder weniger achtlos im Wege
herum. Über die Herkunft und den Namen des Heiligen konnte niemand Auskunft
geben, es wurde nur gerätselt und vermutet. Nur der „Welle Franz" im
Dorf, der der Holzfigur vorübergehend auf seiner Heubühne Obdach gewährte
, meinte: ,,Die aide Litt hän als gsaid, sie wär uf äm Krizberg gstande un wär
de Schacher am Kriz ..." Doch diesem Hinweis wurde wenig Glauben geschenkt
, eher wollte man in der Statue den Auferstandenen erkennen. Dieser
Annahme konnte ich wenig abgewinnen, weil die Darstellung nicht die Wundmale
aufwies, dagegen am Oberschenkel und am Schienbein tiefe Einschnitte
zeigte. Da es bei Johannes 19,32 heißt: „Da kamen die Soldaten und zerschlugen
die Beine sowohl des einen als auch des anderen mit ihm Gekreuzigten",
wurde ich mir immer sicherer, daß es sich nur um den Heiligen Dismas, den
mit Christus hingerichteten reuigen Verbrecher handeln konnte. Seine Verehrung
fand vor allem im Barockzeitalter im süddeutschen Raum größere Verbreitung
. Besonders in Kapellen auf sogenannten Kalvarienbergen — Kreuzbergen
— fand diese Statue Aufstellung. Trifft dies alles nicht bei der Hausacher
Kreuzbergkapelle zu, die zur Zeit des Barocks erbaut wurde? Trotzdem,
meine Darlegungen fanden wenig Gehör. Und als ich beim Freiburger Restau-
rateur, der sich inzwischen der Hausacher Heiligenfigur angenommen hatte,
vorsprach, war bereits die Säule fertiggestellt, an die „Jesus" zur Geißelung
mit Stricken gebunden werden sollte. Die tiefen Einschnitte an den Beinen
wurden als Schürfmale gedeutet, die durch die Seile entstanden sind. Ich bat
um eine Dachlatte, die schnell zu einem Kreuz gezimmert wurde. Dieses paßte
genau in die rechte Hand und in eine besonders dafür vorgesehene Vertiefung
am Sockel! Dann verwies ich auf eine bestimmte Stelle in der Fachliteratur,
wo zu lesen war: „Als Attribut (Beigabe) hält er (der hl. Dismas) auf allen
Darstellungen das Kreuz, an dem er starb, sei es in seiner Rechten . . . oder in
beiden Händen". Jetzt war man sich nicht mehr so sicher. Doch erst das Gutachten
eines Sachverständigen der Freiburger Universität wandelte den Zweifel
zum festem Glauben. . . . Jetzt durfte der hl. Dismas, der „heilige Schacher
", den das römische Martyrologium zunächst namenlos als „sanctus
latro" (heiliger Räuber) auswies und ihm den 25. März als Namenstag einräumte
, wieder in seiner ursprünglichen Form und Bedeutung ins Hausacher
Kirchspiel zurückkehren. Wohin aber mit der neuen alten Figur? Da gerade

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