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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 169
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In ständischer Hinsicht werden die Bauern im Hochmittelalter vor allem
durch ihr Verhältnis zur ritterlichen Oberschicht geprägt36. Die Gesellschaft
des Hochmittelalters ist bekanntlich in die Stände der Kleriker, Ritter, Bürger
und Bauern eingeteilt, was aber nicht dazu verleiten darf, dieses Ständespektrum
mit der sozialen Wirklichkeit gleichzusetzten und dabei die tatsächliche
Vielfalt der damaligen Gesellschaftsstruktur zu übersehen. Die Eigenart der
bäuerlichen Lebensform spiegelt sich während des 13. Jahrhunderts in besonderem
Maße in einigen literarischen Quellen, wie in Ständedidaxen, in der
Predigtliteratur oder in den Erzählungen des Caesarius von Helsterbach". Als
Hauptsünden der Bauern werden in der Predigtliteratur Habsucht, Diebstahl,
Zehntverweigerung und Unmäßigkeit in Essen und Trinken angeprangert.
Aus Habgier versetzen die Bauern Grenzsteine, übergeben minderwertiges
Zehntkorn, neigen zu abergläubischen Religionspraktiken und überlassen sich
schrankenlos leiblichen Vergnügungen. Das bäuerliche Dasein ist dabei, wie
man häufig einräumt, voll Mühe und Plackerei, und das bäuerliche Alltagsleben
spielt sich in einer Welt von Armut, Not und Enge ab. Jakob von Vitry erzählt
uns in seiner vielgelesenen Exempla-Sammlung die Geschichte von einem
einfachen Bauern, der sich aus seiner herkömmlichen Umgebung nicht zu lösen
vermag38. Dieser wuchs in einem kleinen Ort inmitten von Viehdung und
Mistgestank auf. Als er später in einen größeren Ort umzog und dort neben einer
Apotheke zu wohnen kam, konnte er, allzu gewöhnt an den Schmutz und
Gestank seiner bäuerlichen Umwelt, den Wohlgeruch gewisser Kräuter und
Salben nicht ertragen. Notgedrungen kehrte er daher zu seinem alten Haus
und zum vertrauten Viehgestank zurück. An anderer Stelle erzählt Jakob von
Vitry die Geschichte von einem habgierigen Bauern39. Dieser habe dem Pfarrer
aus Habsucht keinen Getreidezehnt gegeben, statt dessen aber an großen
Festtagen einen falschen Pfennig. Der Pfarrer merkte dies schließlich und legte
dem Bauern statt der Kommunion das falsche Geldstück in den Mund. Daraufhin
glaubte der Bauer, die Hostie habe sich in das falsche Geldstück verwandelt
, und bereute seine Sünde.

Caesarius von Heisterbach erzählt uns die Geschichte von einem reichen Bauern
aus einem niederrheinischen Dorf, der sich als Wucherer betätigt40. Dieser
nimmt eines Tages das Kreuz, zahlt für die Lösung vom Kreuzzugsgelübde
aber nur 5 Mark Silber, obwohl er gemäß seinem Reichtum 40 Mark Silber
geben müßte. Eines Nachts wird er, als er sich bei seiner Mühle aufhält, von
einem Teufel in die Hölle geführt. Dort sieht er einen ihm bekannten Ritter
leiden; dieser hatte einer armen Witwe eine Kuh geraubt und wird jetzt zur
Strafe immer wieder von den Hörnern dieser Kuh gestoßen. Nach drei Tagen
stirbt auch der reiche Bauer; da er ohne Reue gestorben ist, muß er in der Hölle
zur Strafe auf einem glühenden Stuhl sitzen. Ein anderer Bauer, dessen Lebensgeschichte
Caesarius ebenfalls erzählt, kann noch kurz vor seinem Tod
die Sündengefahr erkennen, in der er schwebt41. Als er im Sterben liegt, sieht
er einen glühenden Grenzstein über seinem Haupt schweben. Er erinnert sich,

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