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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 177
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Bauer9. Die mittelalterliche Dorfgemeinschaft ist als Sozialgebilde vielmehr
ein Spiegelbild der hierarchischen Gesellschaftsordnung ihrer Zeit.

Bevor wir uns mit dem Bild des Bauern und der Dorfgesellschaft des Mittelalters
, wie es sich dem Adel und dem Städter darstellte, im einzelnen befassen,
müssen wir einen Blick auf die wirtschaftliche Situation werfen. Mit dem
Ende der landwirtschaftlichen Expansionsphase des Hochmittelalters, die
Herlihy einmal zutreffend mit „Agrarischer Revolution"10 bezeichnet hat,
vollzog sich hinsichtlich der Agrarverfassung ein tiefgreifender Wandel. Denn
mit der Auflösung der Villifikationsverfassung gingen die Frondienste zurück,
die Abgabenverpflichtungen der Bauern wurden in weiten Teilen des Reiches
genauer fixiert, und die Besitzrechte wurden verbessert. Die bäuerliche Agrar-
wirtschaft gewann insgesamt eine größere Unabhängigkeit vom Grundherren
und zugleich mehr Selbständigkeit. Die Ablösung der Frondienste und die Abgabenfixierung
machten die bäuerliche Arbeit lohnender. Mehrarbeit und
Intensivierung des Anbaus kamen dem Bauern nun selbst zugute und gaben
ihm die Chance, eventuelle Überschüsse auf dem Markt gewinnbringend abzusetzen
und so in gewissem Umfang am allgemeinen Einkommensanstieg
teilzuhaben. Mit der Auflösung der Villifikationsverfassung setzte eine Zersplitterung
der Gutsherrschaft ein und damit auch ein Zerfall der persönlichen
Bindungen zwischen Grundherrn und Bauer. Dieser Vorgang wurde von einer
Kapitalisierung der grundherrlichen Rechte, d.h. einer Aufsplitterung in viele
Einzelrechte begleitet. Der Niederadel verlor durch diese Entwicklung an politischem
Gewicht und damit seine politisch-dominante Stellung auf dem Lande.
Mit dem Niedergang der grundherrschaftlichen Stellung des Niederadels gewinnt
die dörfliche „communitas" an Gewicht". Diesen Vorgang, den man
begrifflich auch „Befreiung von der ersten Leibeigenschaft" zusammenfaßt,
ist für die spätmittelalterliche Geschichte von grundlegender Bedeutung.

Da aber ein Landausbau im Sinn von Erschließung neuer Kulturflächen nach
1250 nicht mehr möglich war, blieb als einzige Möglichkeit eine Intensivierung
des Anbaus und Spezialisierung der Produkte. So läßt sich in Stadtnähe eine
verstärkte Viehhaltung beobachten, was zu einer Ausweitung des Viehfutter-
anbaus führte. Mehr Vieh brachte wiederum mehr Dünger, der konzentriert
bei der Brachweide eingesetzt werden konnte und damit die Erträge an Getreide
, Wicken und anderen Futtersorten sowie der Früchte steigerte. Die Wicken
waren für die auch in den Städten gehaltenen Reit- und Zugpferden ein begehrtes
Futtermittel. Die wachsende Zahl der städtischen Bevölkerung führte
seit dem 13. Jahrhundert nicht nur zu einer steigenden Nachfrage nach Getreide
, Hülsenfrüchten und Fleisch, sondern auch nach Färbe- und Gewerbepflanzen
wie Waid, Hanf, Krapp, Wau und später auch nach Hopfen12.
Krapp, die rote Färberpflanze, die große Gewinne abwarf, wurde wegen ihrer
Mehrjährigkeit sogar gärtnerisch angebaut. In den Gegenden um Speyer und
Braunschweig nahmen diese Kulturen einen derart großen Umfang an, daß die
Volksnahrung gefährdet wurde und man den Anbau durch Verbote einschrän-

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