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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 182
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größerte sich, und neue soziale Strukturen prägten nun das Bild der Landbevölkerung
. Die Inhaber der größeren Höfe, vornehmlich der Meier-, Ding-
und Fronhöfe stellten die bäuerliche Oberschicht. Außer ansehnlichem
Grundbesitz hoben sich ihre Höfe durch repräsentative Häuser, umfangreiche
Stallungen und Scheunen von den anderen Hofstellen ab. Sie stellten in der
Regel die dörflichen Funktionsträger. Um ihre Höfe bewirtschaften zu können
, waren sie auf Knechte, Mägde und Taglöhner zwingend angewiesen. Die
Erlöse aus ihren Produktionsüberschüssen legten sie in ihrem Eigen an oder
gaben sie als Kredite an weniger erfolgreiche Nachbarn aus, wodurch sich ihr
Einfluß noch weiter verstärkte. Die Zugehörigkeit zum dörflichen Meliorat
gründete sich im Spätmittelalter also in erster Linie auf ausreichendem Besitz,
Ansehen und Teilhabe an den öffentlichen Funktionen.

Unter dieser dünnen bäuerlichen Oberschicht erkennt man eine mittlere
Schicht von Bauern mit ausreichender Besitzausstattung. Ihre Güter hatten
die Größe von Ganz- und Halbstufen. An der bäuerlichen Bevölkerung macht
ihr Anteil zwischen 25 und 30% aus. Ihre Landausstattung reichte bei einigermaßen
normalen Erntejahren gerade für die Sicherung ihres Lebensunterhaltes
aus. Andererseits waren die Bauern in Notzeiten am besten in der Lage, ihre
Situation selbst zu meistern. Denn sie bewirtschafteten ihre Bauernstelle in
Eigenwirtschaft, konnten in schwierigen Zeiten selbst eine Nebentätigkeit suchen
und die Arbeit auf dem Hof der Familie überlassen.

Am untersten Ende der dörflichen Hierarchie stand die Masse der Kleinbauern
, Kleinstelleninhabern und die Taglöhner, die alle unbedingt darauf angewiesen
waren, durch landwirtschaftliche Arbeit ihren Unterhalt zu verdienen.
Diese soziale Gruppe rekrutierte sich in Gegenden der Erbhofordnung aus den
nachgeborenen Söhnen, in Gebieten der Realteilung war sie die Folge der
Zersplitterung der Bauernstellen. Sie wohnten in der Regel am Dorfrand unter
außerordentlich bedrückenden Bedingungen. Die Dorfgemeinschaft nahm sie
kaum zur Kenntnis, traute ihnen aber alle Untaten und Verbrechen zu. Dieses
„Dorfproletariat" war von allen sozialen Sicherungen ausgeschlossen. Da
ihnen in der Regel auch jegliche Barmittel fehlten, waren sie auch nicht in der
Lage, gleich der bäuerlichen Mittelschicht am Aufschwung der ländlichen Gewerbeproduktion
teizuhaben. Auch hier mußten sie sich als Knechte verdingen
. Für diese Menschen galt die Nachbarschaftshilfe nicht. Auch der Grundherr
, der in so manchem Weistum verpflichtet war, für einen wirklich in Not
geratenen leibeigenen Bauern zu sorgen44, ist ihnen gegenüber zu nichts verpflichtet
. Denn zwischen ihm und dem Taglöhner bestand nach mittelalterlicher
Rechtsauffassung kein besonderes Treueverhältnis, das für den Leiboder
Grundherrn eine Fürsorgepflicht begründet hätte. Seuchen, Hungernöte
und Krankheiten haben diese Menschen immer ganz unmittelbar und unbarmherzig
getroffen. Zwar begegnen in den Weistümern immer wieder Ansätze,
diesen Menschen ein Minimum an Einkommen zu sichern, doch hören sie sich
meist etwas rührend und hilflos an. So hatte in Menzesweiler das Brot des

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