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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 190
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die Würde eines Ritters anmaßen dürften. Diejenigen, die es dennoch getan
hätten, sollten vom Landrichter wieder aus dem Ritterstand ausgestoßen werden73
. Der Bauernstand wird festgeschrieben und fortan als „homines rustici
conditionis" begriffen74. Mit der bewußten Abgrenzung des Adels gegenüber
den anderen Ständen bildete er auch ein neues soziales feudales Selbstbewußtsein
aus, wie es sich u. a. in der höfischen Literatur darstellt. Als Parzival das
erste Mal den Artushof aufsuchte, begleitete ihn ein Landmann, um ihm den
Weg zu weisen. An der Burg angekommen, forderte er seinen Begleiter auf,
mit ihm einzutreten. Dieser wies dies erschrocken zurück, denn dies sei eine
„missetat"75. Tatsächlich hätte die höfische Gesellschaft den Besuch des
Landmannes als eine Untat und einen Einbruch in ihre „heile Welt" angesehen
. Dieses feudale Standesbewußtsein war nur zu erreichen, wenn der Ritter,
meist selbst wenig oder gar nicht gebildet, sich von seiner ländlichen Herkunft
und den bäuerlichen Analphabeten durch eine „höhere Lebensart" absetzte.
Die höfische Literatur benutzt zu diesem Zweck feste gegensätzliche Begriffspaare
:

kultivierter Ritterhof — schmutziges Dorf
edler Ritter — einfältiger Bauer

ritterliche Lebensart — bäuerliche Häßlichkeit
und Auftreten und Ungepflegtsein

ritterliche Tugend — bäuerliche Maßlosigkeit

und Lasterhaftigkeit

Die höfische Literatur verfolgt, wenn auch unausgesprochen, mit diesen Leitbegriffen
durchaus ein gesellschaftspolitisches Ziel, indem sie die Stellung des
Adels durch eine ethisch-moralische Begründung als eine besondere heraushebt
. Aber nicht nur in der höfischen Literatur läßt sich diese Haltung nachweisen
. In seinem Lehrgedicht „Der Renner" hebt Hugo von Trimberg (gest.
1313), ganz in Übereinstimmung mit dem adeligen Selbstverständnis seiner
Zeit, die feudale Bindung des Bauern heraus. Im Einklang mit der kirchlichen
Lehre begründet er die Unfreiheit des Bauernstandes mit dem Fluch Noahs
über ham. Deswegen sei jeder bäuerliche Widerstand zwecklos und gegen die
von Gott gewollte Ordnung gerichtet. Nicht im Aufbegehren gegen das gesellschaftliche
System, sondern im geduldigen Ertragen seiner Bürde erfahre er
seine menschliche Vollendung. Der Gedanke schließt mit dem Hinweis auf die
göttliche Gerechtigkeit, die den armen Frommen einst belohnen werde, der
ungerechte Herr aber seiner verdienten Strafe verfalle76. Bezeichnend für diese
Einschätzung ist die Darstellung des Bauernstandes auf den Planetenbildern.
Die Bauern werden als die unglücklichen Kinder dargestellt, auf denen der
Fluch Adams und Evas lastet.

Nur wenige Männer haben im Spätmittelalter erkannt, daß aus der bauernfeindlichen
Haltung des Adels möglicherweise eine moralische Gefährdung erwachsen
kann. So hat z.B. der Theologieprofessor Heinrich von Langenstein

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