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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 195
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mögenderen Bauern, die genauso zur Lächerlichkeit und Farce geriet, wie das
Rittertum eines verbauerten Niederadeligen.

Die bäuerliche Putz- und Prunksucht war nicht nur ein literarischer Topos.
Tatsächlich sind die Obrigkeiten durch Kleiderordnungen gegen solche Auswüchse
vorgegangen93. Z.B. hat die Stadt Straßburg jungen Bäuerinnen, die
zum Tanze in die Stadt kamen, verboten, Röcke zu tragen, die mehr als 30
Gulden gekostet hatten94. Der Ausspruch Sigfried Helblings traf den Zeitgeist
so prägnant, daß er zu einem weit verbreiteten Topos wurde: „geburen, ritter,
dienstmannen tragen alle gliches kleid"95. In den Augen der anderen Stände
verstieß der Bauer mit seinem Auftreten und seiner Prunksucht gegen die mittelalterliche
„Ästhetik der Lebensformen"96. Stoffe und Farben waren Teil
der hierarchischen Feudalordnung und sollten bereits im alltäglichen Erscheinungsbild
die einzelnen Stände von einander absetzen. Der landsässige Adel,
der sich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch in seinem äußeren Erscheinungsbild
bedroht fühlte, mußte dies als ein Angriff auf die von „Gott gesetzte
Ordnung" auffassen. Die Problematik, die sich hier auftut, ist, daß, ungeachtet
der tatsächlichen Gegebenheiten auf dem Land, der anstößige Lebensstil
einiger vermögenden und überheblichen Bauern auf den Bauernstand insgesamt
, bisweilen unterschiedslos auf die gesamte Landbevölkerung übertragen
wurde. Die Mehrzahl der Landbewohner war weit davon entfernt, sich einen
solchen Aufwand leisten zu können. Viele Bauern waren spätestens seit Ende
des 14. Jahrhunderts gezwungen, bis zur Ernte in der Stadt Geld aufzunehmen
, um die Saat bestellen und ihre Familie bis zum Herbst ernähren zu können
. Aber schon bei der kleinsten Mißernte oder einem anderen nachteiligen
Ereignis, war der Bauer schon nicht mehr in der Lage, seinen Schuldverpflichtungen
nachzukommen und geriet in Not. Hugo von Trimberg beschreibt diesen
Kreislauf sehr zutreffend:

„und leihen gelt uff ein frist
biz ernte und biz herbist."

Aber im Herbst nimmt der Gläubiger die Ernte an sich, weil der Bauer nicht
sofort bezahlen kann

„und iener, der bauwet daz velt

der hat mynner , dann mee

dan er hat gehabt ee

und wer sein neher zue kummen.

hett ers under den Jüden genommen"97.

Die Straßburger Reformschrift geht sehr ausführlich auf diese Problematik
ein und zeichnet ein sehr bedrückendes Bild über die wirtschaftliche Situation
der Bauern im Elsaß. Sie beklagt, daß die Bauern bei dem geringsten Zahlungsverzug
sofort vor dem geistlichen Gericht verklagt würden. Die kurzen
Zahlungsziele der Gerichte könne aber keiner einhalten. Nach Ablauf der

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