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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 216
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von der Kirche zur Familie oder zur Arbeit erfuhren die Menschen sich als Gemeinschaft
von Lebenden und Toten.

Alle Christen, Lebende wie Verstorbene, wurden im Hochgebet der Messe tagaus
, tagein den Fürbitten der Gläubiger empfohlen. Vielen war das nicht genug
. Sie vermachten kirchlichen Gemeinschaften, vorwiegend Klöstern, deren
Angehörige als fromm, deren Gebet als wirkmächtig galt, bestimmte Güter
unter genau schriftlich festgehaltenen Auflagen. Das Kloster verpflichtete sich
zu wirtschaftlichen und/oder zu Gebetsleistungen. Für das erstere sei als Beispiel
ein Leibgeding erwähnt: Einer Reinlind in Wöplinsberg waren auf
Lebenszeit jährlich je drei Maß Roggen und Hafer gegeben worden (211/490);
in anderen Fällen wurde vereinbart, daß ggf. auch der Ehepartner, vielleicht
sogar die Kinder lebenslänglich Anrecht auf bestimmte Leistungen haben sollten
. Ein Leibgedinge konnte man auch andernorts erhalten, z. B. in einer
Stadt wie Kenzingen oder Ettenheim. Aber dort war man nicht imstande, den
religiösen Bedürfnissen der Spender zu genügen. Der Zisterzienserkonvent, so
wird einmal festgelegt, soll jährlich am Fest der Heiligen Vitus und Modestus
(15. 6.) eine Jahrzeit für die Schenkerin, Sophie, Herrin von Horburg, feiern.
Der Inhalt der Jahrzeit ist hier nicht genauer bestimmt und wird als bekannt
vorausgesetzt; die Jahrzeit könnte aus Meßfeier, Gebeten und/oder Armenspeisung
bestanden haben, für das Seelenheil der Schenkerin. Sollte der Konvent
in einem Jahr dieser Verpflichtung nicht nachkommen — „und swenne
das von unserem wegen wurdi versumet" — so sollen die zehn Schillinge dem
Spital von Kenzingen gegeben, also ausschließlich für caritative Zwecke verwendet
werden (295/697).

Auch wenn es um die Sicherung des Seelenheiles geht, begegnet das Streben
nach Risikostreuung. Wer über die nötigen Mittel verfügt, stiftet Jahrtage in
verschiedenen religiösen Gemeinschaften; die erwähnte Sophie, Herrin von
Horburg, z. B. in den Klöstern Wonnental (bei Kenzingen) und Tennenbach
(290/689). Bei solchen Stiftungen handelt es sich im allgemeinen nicht um
egoistische Bekundungen nach dem Motto „Rette Deine Seele!" Meist denkt
der Stifter, z. B. Heinrich Zinsmann (225/512L), an sein, seiner Ehefrau, seiner
Eltern und aller seiner Verwandten Seelenheil; oft werden ausdrücklich
auch die Kinder und deren etwaige Nachkommen in das Gebet eingeschlossen.

Wie schon erwähnt, erfuhren die Menschen sich bei jedem Kirchgang als Gemeinschaft
von Lebenden und Toten. Die Stiftung einer Jahrzeit bot die Möglichkeit
, über das pauschale Gedächtnis aller Verstorbenen hinaus nach dem
Tod persönlich, durch Nennung des Namens, zu bestimmten Terminen wieder
in die Gemeinschaft der Lebenden zurückgerufen, vergegenwärtigt zu werden26
. Dieses Gebet stiftete Gemeinschaft über Raum, Zeit und Generationen
hinweg. Adlige und bürgerliche Familien haben das Bewußtsein der ungebrochenen
Kontinuität ihres Geschlechtes gerade aus solchen Erinnerungen geschöpft
. Von der Macht, die der Namensnennung innewohnte, können wir

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