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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 256
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Was er in der „Continuatio des abenteuerlichen Simplicissimi", die er am
22. April 1668 abschloß und die im Jahr darauf zunächst als selbständiger
Druck erschien, später als 6. Buch dem „Simplicissimus" hinzugefügt wurde,
zum Thema Hanf ausführte, setzte genaue Kenntnisse voraus. Im 11. Kapitel
legte er diese dem „Schermesser", einer gebräuchlichen Art von Papier in den
Mund: „Meine Voreltern sind erstlich nach Plinii Zeugnus lib. 20, cap. 23, in
einem Wald, da sie auf ihrem eigenen Erdreich in erster Freiheit wohnten und
ihr Geschlecht ausbreiteten, gefunden, in menschliche Dienste als ein wildes
Gewächs gezwungen und namentlich Hanf genennet worden; von denselbigen
bin ich zu Zeiten Wenceslai in dem Dorf Goldscheur als ein Samen entsprossen
und erzielt; von welchem Ort man sagt, daß der beste Hanfsamen in der
Welt wachse"25. Und nun wird bis zum Ende des 13. Kapitels in anschaulicher
und lebendiger Weise aus der Sicht des vom Menschen malträtierten Hanfes
die detaillierte Prozedur der Verarbeitung des aus dem Goldscheuerer Hanfsamens
gewonnenen Stengel bis zur Herstellung des Endproduktes geschildert,
dazu der Handelsweg über das Kaufhaus in Straßburg bis nach Amsterdam,
wo aus dem Hanf feine holländische Leinwand gewebt wurde. Aus einem ihr
geschenkten Stück Leinwand durfte sich eine Kammermagd ein Hemd nähen.
Daß Grimmelshausen die Geschichte weiterführte, läßt darauf schließen, daß
er auch dafür seine Anregung aus lokaler Anschauung erhielt, sei es aus Erzählung
über die anscheinend 1642 eingegangene Papiermühle in Lautenbach26,
sei es aus eigener Kenntnis der Papierherstellung in Oberachern oder anderen
Orten. Im 12. Kapitel führt der Weg des Leinenhemdes zuletzt über den Lumpensammler
in die Papiermühle, wo es als neues Produkt über feines Schreibpapier
zum Journal avanciert, um in späteren Jahren wieder der Erde zurückgegeben
zu werden, in einem Kreislauf, der auch für Simplicius gilt.

Daß der Hanf des Stabes Goldscheuer tatsächlich begehrt war, bezeugt Hänle
in seiner Beschreibung der geographischen Verhältnisse des Bezirksamtes
Lahr: „Schleißhanf . . . geht besonders zu Seilerarbeit und zur Verfertigung
der Schiffstaue ins Ausland, wird aber in unserer Gegend wenig gezogen. Da
er schon mehr Sandboden liebt, so erhält der von Marlen, Goldscheuer und
Kittersburg, im Offenburger Amtsbezirk, den Vorzug"27. Verständlich, daß
jene Familien, die nach der Verkündigung des Patents der österreichischen
Regierung von 1755 in die Batschka auswanderten, den Hanfsamen als wichtigste
Grundlage für den Aufbau einer neuen Existenz mitnehmen, so daß
auch der in Hodschag angebaute Hanf wegen seiner besonderen Qualität geschätzt
wurde28.

Unter den Handelspflanzen, die für den Stab Goldscheuer besonders wichtig
waren, hielt der Forstmeister Freiherr von Neveu den Weißkohl für erwähnenswert
, der neben dem Hanf am meisten angebaut wurde: „Der, diesen Orten
ganz eigene, schwarze Moorboden ist dem Gedeihen dieser Pflanze vorzüglich
günstig; auf dem sogenannten Wörthfelde, einer gelegentlichen Rheininsel
, wird der beste Kopfkohl gezogen. Der Boden besteht meistens aus dem

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