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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 260
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Verbrechens, ohne Rücksicht auf dessen Umfang und auf die Person, wenn
nur ein tatsächlicher Angriff, eine Handanlegung entweder durch Stoßen,
Schlagen, Werfen und dergleichen vorliege, ohne jede Nachsicht und Gnade
— die rechte Hand durch den Scharfrichter abgehauen werden. Für eine Beleidigung
der Eltern „mit Schänden und Schmähen" drohte der Fürst eine öffentliche
Bestrafung mit Ruthen oder auch eine Landesverweisung an.

Um zu verhindern, daß solche Vorfälle aufgrund der angedrohten Strafen
durch die Familien vertuscht wurden, sollten die Beamten oder andere die davon
Kenntnis hatten, bei Vermeidung von Bestrafung Anzeige darüber erstatten
und zwar auch dann, wenn die Kinder Abbitte geleistet und die Eltern verziehen
hatten. Die Verordnung müßte öffentlich angeschlagen und jährlich
einmal bei jedem Rug-Gericht und versammelter Gemeinde vorgelesen werden
, damit sich niemand mit Unwissenheit entschuldigen könne50.

Es war gerade ein Monat her, daß in Ettlingen von der Markgräfin Sibylla, deren
„Vorliebe fürs Chinesische seltsame Blüten" trieb51, ein chinesisches Fest
veranstaltet wurde. So erinnert man sich im Hinblick auf das Dekret ihres
Sohnes unwillkürlich an die in China praktizierten Bestrafungen, die allerdings
unvergleichlich schlimmer waren. Dort wurde „jede häusliche Empörung
als Verrat am Staate" betrachtet und Ungehorsam gegen die Eltern
schwerer geahndet, wie uns der Forscher Wilhelm Filchner überlieferte: „Ein
Mann hatte seine Mutter geschlagen. Die Regierung erfuhr von diesem betrüblichen
Ereignis und verfügte, daß der Ort, an dem sich diese Freveltat zugetragen
hatte, mit dem Bann belegt würde; die hier stationierten Beamten wurden
abgesetzt, das Haus des Täters dem Erdboden gleichgemacht und dieser selbst
zur Strafe in zehntausend Stücke zerschnitten"52.

In einer Zeit, da noch die „peinliche Halsgerichtsordnung" Karls V. Gültigkeit
besaß53, war man auch bei geringeren Vergehen nicht weniger zimperlich:
so stellte Markgraf Carl Friedrich von Baden in einer Verordnung vom
27. November 1752 für das Amt Rohdt in der Pfalz das seit eh und je übliche
Weinpanschen unter Todesstrafe; verboten war jegliche Vermischung und
Verfälschung des Weines, und wer dagegen verstieß, sollte „ohne alle Gnade
mit dem Strange von dem Leben zu deren Tod gebracht werden"54.

In seinen wertvollen Aufsätzen hat Josef Schäfer die ganze Mannigfaltigkeit
des dörflichen Lebens im historischen Ablauf festgehalten und damit nicht
nur ein anschauliches Kulturbild vergangener Zeiten überliefert, sondern auch
in der Beschäftigung mit den Menschen, ihrem Alltag, ihrem Schicksal, die
Brücke zu den Nachkommen geschlagen. Für ihn war die Vergangenheit so lebendig
, daß er 1928 die Nachkommen der im 18. Jahrhundert aus der Gemeinde
Ausgewanderten in Hodschag aufsuchte und ihnen von ihrer Urheimat berichtete
. In seinen Darstellungen über die Heimatgemeinde waren die Bewohner
für ihn keine anonyme Angehörige einer sozialen Gruppe oder Schicht,
sondern alle Persönlichkeiten, die er namentlich anführte und dadurch indivi-

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