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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
66. Jahresband.1986
Seite: 417
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Karlsruher Grates nicht mehr existieren konnte. Das einstöckige Wohnhaus mit Back-
und Waschhaus war so verwahrlost, daß es keine menschenwürdige Wohnung mehr
darstellte. Der Eigentümer des Hofes, Bernhard Winkler „habe keine Arbeitslust
mehr, die große Kinderzahl steigere die Not, die sich auch durch die ungeeignete Lage
seines Gutes oberhalb der Edelfrauengrabwasserfälle ergebe." Das Grundstück sei mit
einer Grundschuld und mit Pfandschulden belastet. Der Staat sei bereit, das Gut zum
Ertragswert von 8372 Mk zu übernehmen, wenn das Haus zu einem festgesetzten Termin
geräumt werde. Dieser konnte jedoch von der Familie nicht eingehalten werden, da
Winkler, vermutlich im Rausch, seine Frau angeschossen hatte und dafür im Gefängnis
saß. Der Gemeinderat zahlte darauf den vom Staat geforderten Jahresmietzins von 60
Mk, auf den dieser, auch in Anbetracht der trostlosen Verhältnisse der Familie aus
Etatgründen nicht verzichten konnte. So durfte die Familie noch ein Jahr wohnen bleiben
. Im August 1902 erhängte sich Winkler, seine Kinder wurden verstellt, seine Frau
mußte in Stellung gehen. Das Ärar versteigerte das zum Abriß vorgesehene Hofgut und
schloß den Besitz, der z.T. mit Douglasie, Fichte, Weymouthskiefer, Kiefer aufgeforstet
wurde, größtenteils jedoch aus verkommenem Eichenschälwald bestand, der Abteilung
Bosenstein des Staatswaldes an. Das hier geschilderte Einzelschicksal einer unglücklichen
Familie, das durch den Ankauf eines Waldgrundstückes offenbar wurde
und heute noch in der Erinnerung der Bevölkerung lebt, darf bei Beurteilung der Walderwerbspolitik
des Staates natürlich nicht verallgemeinert werden, wie dies in den Augen
der Bevölkerung leider üblich ist.

Die Erwerbspolitik der großherzoglichen Forstverwaltung beim Ankauf von
Hofgutteilen wurde auch 1897 in der Nr. 69 des „Oberkircher Boten" heftig
kritisiert. Insbesondere sei der Preisdruck des Domänenärars, das in allen Fällen
geringere Kaufpreise bezahle, als es selbst nach den Regeln der Waldwertrechnung
berechnet habe, unerträglich und einer Landesverwaltung nicht
würdig, die nicht nur das Interesse ihres Etats, sondern auch das Wohl der
meist in Not geratenen Landeskinder vor Augen haben müsse30. Leider ist die
Nummer des „Oberkircher Boten" in keinem Archiv mehr vorhanden, auch
nicht die folgenden, in denen die Vorwürfe seitens der Forstverwaltung damit
widerlegt wurden, daß eine Monopolstellung des Fiskus seinerzeit nicht bestand
, und im übrigen Wald an jedermann verkauft werden durfte.

Es fällt im übrigen auf, daß später die Waldverkäufe nicht mehr so reibungslos
über die Bühne gehen wie in der Zeit der Jahrhundertmitte. In die Kaufverhandlungen
schalten sich mehr und mehr Private ein, die gelegentlich als zahlungskräftigere
Interessenten auftreten als das Ärar; es kommt verschiedentlich
zu langandauernden Verhandlungen, die auch nicht zu Abschlüssen mit
dem Ärar, sondern mit anderen, manchmal ortsfremden Käufern führen, die
den Wald als Kapitalanlage oder Spekulationsobjekt betrachten, was nicht im
Allgemeininteresse liegen konnte.

Es sollte bei der Beschreibung der mit der Erwerbspolitik der großherzoglichen
Forstverwaltung zu Tage gekommenen negativen Aspekte jedoch nicht
verkannt werden, daß die staatlichen Waldankäufe für die Verkäufer aber
auch oft mit Vorteilen verbunden und in vielen Fällen der Rettungsanker in

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