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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
67. Jahresband.1987
Seite: 326
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dem späteren Frankfurter Hof in der Luisenstraße. Zufrieden lobte der
Schriftsteller die Thermalbäder, denn eine zweiwöchige Badekur befreite ihn
für immer vom Rheuma. Ansonsten gefiel ihm der Kurort weniger. Er beklagte
die Manieren von Personal sowie Geschäftsleuten und behauptete, Baden-
Baden sei eine geistlose Stadt. Ähnlich abfällig äußerte sich Twain über das
Schloß Favorite. In gruseligen Tönen schilderte er die Einsiedelei im Schloßpark
, wo Markgräfin Augusta Sibylla einst mit wächsernen Heiligenfiguren
als Tischgenossen ihre Mahlzeiten eingenommen hatte.4 Nun muß man solche
Kritik ganz einfach als satirische Spiegelung, als Reaktion des Antiroman-
tikers Twain auf die modische Überbewertung Europas durch jene Yankeetouristen
sehen, die ehrfurchtsvoll von der einen im Baedeker dreifach
besternten Sehenswürdigkeit zur nächsten wallfahrteten.5

Von Baden-Baden aus marschierte Twain mit seiner Familie zu Fuß durch
dichte Tannenwälder ins Achertal. Dort zog der malerisch gelegene Ort Ottenhofen
schon damals Feriengäste an. Bereits 1877 (1882) war zur Belebung des
Fremdenverkehrs ein „Verschönerungs- und Verkehrsverein" gegründet worden6
, Gasthäuser und Pensionen hatten sich aufgetan. Unsere Wanderer entschlossen
sich, im Gasthof „Pflug" anzukehren. Nach dem Mittagessen setzte
sich der Schriftsteller hinüber in die Schankstube, um eine Zigarre zu rauchen.
Dabei beobachtete er neun oder zehn ,,Schwarzwaldgranden", Männer im
Alter zwischen 50 und 60 Jahren in schwarzen Jacken, darunter rote Westen
mit großen Metallknöpfen. Auf den Köpfen thronten schwarze Filzhüte mit
hochgezogener Krempe. Es war der Gemeinderat, der sich schon morgens
früh um acht zur Wahl eines neuen Mitglieds eingefunden hatte und nun auf
dessen Kosten seit vier Stunden zechte. In seinem Werk beschreibt Mark
Twain die Szene: ,,Es wurden keine Reden gehalten, man unterhielt sich
kaum, es wurde nicht gewitzelt; der Gemeinderat ließ sich allmählich, bedächtig
, aber sicher mit Bier vollaufen und gab sich mit gesetztem Anstand, wie es
sich geziemt für Männer von Rang, Männer mit Einfluß, Männer mit Mist."7

Nachmittags wanderte die Familie in praller Sonnenhitze talaufwärts weiter.
Twain berichtet, man sei am grasbewachsenen Ufer eines klar dahinschießenden
Baches entlanggezogen, an Bauernhäusern, Wassermühlen sowie einer endlosen
Folge von Kruzifixen und Heiligenstatuen und Marienbildern vorbei.
Schließlich sei man auf eine verlassene alte Straße gestoßen, über die es weiter
bergauf ging. Gegen fünf oder halb sechs Uhr habe sich mit einem Male der
dichte Vorhang des Waldes geteilt, so daß alle in ein tiefes, herrliches Tal
schauten. Drunten auf der Talsohle sei gerade Raum genug gewesen für ein
„behagliches, wonnevolles Menschennest" — Allerheiligen.8 Da läßt sich
unschwer nachvollziehen, daß die Familie Clemens den Ort Ottenhofen über
die Allerheiligenstraße verlassen hat, dem Unterwasserbach folgend an der
Benz-Mühle vorbeigekommen ist. Beim ehemaligen Hotel „Erbprinzen"
zweigt von der Kreisstraße Nr. 5371 ein Wanderweg ab, der heute noch „Alte
Straße" heißt. Er führt durch den Wald hinauf zum Kapellenplatz, wo ein

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