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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
67. Jahresband.1987
Seite: 440
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Die Not der Landwirtschaft

Zwei Schichten litten besonders unter der Not: die Arbeiter, deren Lohn oder
deren Unterstützung nie den täglichen Lebensunterhalt deckten, und die Parzellenbauern
, die von einer Selbstversorgung weit entfernt waren. Beiden fehlte
das Geld, um sich in ausreichendem Maß zu versorgen, weil beiden die Einnahmen
fehlten. Die Großbauern, die zwar auch unter dem Verfall der Holz-
und Viehpreise litten, brauchten wenigstens nicht zu hungern, da sie ihre Erzeugnisse
noch weitgehend selbst verarbeiten konnten. Der kleine Bauer war
hingegen doppelt betroffen: durch den Verfall der Erzeugerpreise war er nicht
mehr liquide, konnte also weder die notwendigen Geräte selbst beschaffen,
noch die erforderlichen Dienstleistungen bezahlen. Als Käufer von landwirtschaftlichen
Erzeugnissen sowie von Dünge- und Futtermitteln bekam er die
künstlich überhöhten Verbraucherpreise ebenso zu spüren wie der Arbeiter.
Die vorherrschende Politik des Agrarprotektionismus, der Subventionen vorrangig
für die ostelbischen Großgrundbesitzer sowie der künstlich hoch gehaltenen
Inlandspreise für Weizen, Roggen und Mais wurde auf dem Rücken der
sozial Schwächsten ausgetragen.

Trotz der gemeinsamen Not überwanden die beiden Gruppen die gegenseitige
Abneigung nicht. Ein typisches Beispiel berichtet die „Schwarzwälder Post"
am 2. 6. 32: bei einer Betriebsbesichtigung der Firma Schmider und der
Papierfabrik lernen junge Landwirte „die gleichförmige Tätigkeit des Arbeiters
und die vielseitige und Umsicht erfordernde des Unternehmers" kennen.
Bisher hätten die Landwirte nur die kürzere Arbeitszeit des Arbeiters und den
Reichtum des Unternehmers gesehen. „Diese Besichtigung ist ein Beitrag zum
sozialen Ausgleich", lobt der Berichterstatter, ohne zu ahnen, wie gefährlich
für das System eine Solidarisierung von Arbeitern und Bauern hätte werden
können.

Die Arbeiter selbst begriffen auch die Not des Landwirtes nicht, da sie noch
der alten Vorstellung des sich selbst versorgenden Bauern nachhingen. Solche
idyllischen Vorstellungen vom Bauerntum alten Schlages wurden auch gepflegt
, als am 5. 2. 29 der junge „Vogt auf Mühlstein" heiratete, was zu einer
Touristenattraktion unter der Anwesenheit des Landrats und eines Filmkamerateams
der Wochenschau wurde.

Als Maßnahmen gegen den Preisverfall und gegen die Absatzprobleme empfahlen
die staatlichen Stellen den Zusammenschluß der Bauern zu Absatzgenossenschaften
und die Spezialisierung beim Anbau, was natürlich die Abhängigkeit
vom Markt nur vergrößern würde. In sog. „staatsbürgerlichen Bildungstagen
" referierten Fachleute der „Reichszentrale für Heimatdienst"
über „Gegenwartsprobleme der deutschen Landwirtschaft". Ein Dipl.-

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