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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
68. Jahresband.1988
Seite: 56
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Karlsruhe und sein Landtag waren von 1871 bis 1880 Arena und Turnierplatz
für einen Kampf, den die Geschichte nahezu vergessen hat: den „Kulturkampf
", die große politische Auseinandersetzung zwischen Kirche und Staat,
ausgetragen zwischen den ,,Ultramontanen", d. h. dem politischen Katholizismus
, und den „National-Liberalen", der Partei, die die badische Regierung
stützte20. Dieser Kulturkampf geht in Baden bis auf das Jahr 1830 zurück.
Um die katholische Kirche der staatlichen Kontrolle zu unterwerfen, erließ die
badische Regierung 1830 jene Verordnung, nach der künftig kein Kandidat
mehr zum Priesterseminar zugelassen werden sollte, der nicht vor einem staatlichen
Kommissär auf seine allgemeinen Kenntnisse, insbesondere aber auf
sein Wissen über die kirchliche Landesgesetzgebung, in Form eines Staatsexamens
geprüft worden war.

Die katholische Kirche, so alt wie weise, reagierte auf diese Verordnung durch
abwartendes Nichtstun. Und es vergingen knapp neunzehn Jahre, da ließ der
badische Staat die Zügel gänzlich schleifen. Das Volk hatte sie ihm mit der
Revolution von 1848/49 aus der Hand gerissen. Um nun das Leitseil der Autorität
wieder in den Griff zu bekommen, brauchte die Restaurationszeit nach
1849 die Hilfe der Kirche. Die badische Regierung mahnte das aufgeputschte
Volk am Oberrhein eindringlich an seine Bürgerpflichten, deren erste bekanntlich
die Ruhe ist. Sie war — dank preußischer Bajonetten und Kartätschen —
gerade wiederhergestellt, als die Regierung in Karlsruhe an die von den Bischöfen
der Oberrheinischen Kirchenprovinz stillschweigend übergangene
Examensverordnung für die Geistlichen erinnerte.

Nun aber prallten die Gegensätze hart aufeinander. Erzbischof Hermann von
Vicari von Freiburg21, ein Kirchenfürst von der streitbaren Sorte, erzwang
1859 ein für die Kurie günstiges Konkordat. Aber der badische Landtag, der
von den Liberalen beherrscht wurde, bestand auf dem „Kulturexamen" der
Geistlichen und verwarf das Abkommen. Der badische Staatsminister Lamey,
friedlich und loyal gesonnen, ließ die Sache auf sich beruhen. Kaum aber hatte
der noble Grandseigneur Lamey abgedankt, als — im frischen Preußenwind
dahersegelnd — sein Nachfolger Julius Jolly, zuerst Innenminister, dann
Staatsminister22, im September 1867 bestimmte, daß die Theologen beider
Konfessionen in Karlsruhe eine allgemeine wissenschaftliche Prüfung ablegen
müßten. Das Ordinariat in Freiburg protestierte! Die Kurie verbot ihren Priesteranwärtern
kurzerhand die Ablegung der Prüfung, und es erschien kein
katholischer Theologe in Karlsruhe vor der staatlichen Prüfungskommission.

Bestärkt durch den Kulturkampf in Preußen brachte Jolly 1872 im Landtag einen
Gesetzesentwurf ein, der trotz seiner Härten der Mehrheit des Landtags
sicher sein konnte. Danach sollte jeder künftige Theologe in Latein, Griechisch
, Geschichte, Philosophie, deutscher Literatur und kirchlicher Landesgesetzgebung
geprüft werden. Zurückdatiert auf das Jahr 1863 durften selbst
ausgeweihte Priester, bevor sie nicht das Staatsexamen nachgeholt hatten, kei-

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