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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
68. Jahresband.1988
Seite: 339
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Seit Mai 1947 führte der Beigeordnete Fritz Dinger die Bürgermeistergeschäfte
. Als gewählter Gemeinderat war G. Trautwein aber nach wie vor im Gemeindeparlament
tätig, auch war er es, der an Silvester die traditionelle
Ansprache an die zum Silvesterzug versammelten Schiltacher hielt.61 Hier
sprach er, neben den „Nöten und Sorgen, die uns der unselige 2. Weltkrieg
hinterließ", vor allem die Gemeindeprobleme des abgelaufenen Jahres an: Der
heiße Sommer, der die so notwendigen Ernteerträge schrumpfen ließ, die Warenknappheit
und das Zuteilungssystem für Textilien, Schuhe usw., die mangelhafte
Wasserversorgung, die die Neufassung von Quellen und eine
Tiefbrunnenanlage nötig machten, die Bemühungen, die Volksschule wieder
auf einen hohen Bildungsstand zu bringen und die ebenfalls im Zuge der Entnazifizierung
geschlossene Apotheke wieder zu öffnen. Noch immer befanden
sich 51 Männer in Kriegsgefangenschaft, und es war weniger die Hoffnung,
„daß die Vernunft die großen Völker zusammenführen möge", als die „schwere
Sorge im Herzen", die seine abschließenden Worte kennzeichneten.

Die eigene Rehabilitierung kostete G. Trautwein viel Zeit und Kraft. Die Anzeige
, die gegen ihn und 33 andere Schiltacher Bürger bei der Militärregierung
in Baden-Baden eingegangen war, führte zu polizeilichen Untersuchungen der
Besatzungsmacht, die freilich nach wenigen Tagen die Unbegründetheit des
Vorwurfs, „Führer einer Widerstandsbewegung" zu sein, erwiesen.62 Es fiel
ihm immer schwerer, je länger sich sein Verfahren hinzog, Sinn und Zweck
der so betriebenen Entnazifizierung einzusehen, in der „Lügner und Denunzianten
Gehör fanden und die Betroffenen erst einmal ohne Verteidigungsmöglichkeit
waren. „Es dürfte ja einzig dastehen, daß man erst dann Einspruch
erheben kann, wenn man verurteilt ist, eine Praxis, die im Dritten Reich üblich
war, aber nie in einer Demokratie geübt werden sollte." Von sich selber abgesehen
, hatten die bereits ergangenen Urteile gegen ihm gut bekannte Schiltacher
im Frühjahr 1947 seinen heftigen Widerspruch gefunden, und er sah bald
die Gefahr von als ungerecht empfundenen Urteilen „für die Demokratie, die
wir erstreben". Der Rückzug der Betroffenen aus der Politik war hier nur die
gelindeste Reaktion, die er verspürte. Nicht anders als „Existenzvernichtung
mit bolschewistischen Methoden", die den in der Verfassung verankerten
Rechten des Staatsbürgers Hohn sprachen, konnte er eine Vielzahl von Urteilen
begreifen. Und er fragte sich, „ob man von den Hintermännern dieser Urteile
überhaupt eine deutsche Demokratie will?" Hier werde nur Demokratie-
und Staatsfeindschaft erzeugt, „Henkersarbeit an der jungen deutschen Demokratie
".

In seinem eigenen Fall, nachdem er sich als Bürgermeister für viele andere,
beispielsweise im Februar 1947 für 44 Schiltacher Geschäftsleute und Handwerker
eingesetzt hatte, stand er am 8.4. 1948 vor der Spruchkammer in Freiburg
, wo er sich über seinen Parteieintritt und seine Tätigkeit im Volkssturm,
aber auch über die Bürgerversammlung im vorletzten März zu rechtfertigen

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