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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
68. Jahresband.1988
Seite: 406
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landwirtschaftlichen Erzeugnisse waren beschlagnahmt und bedurften eines
von der französischen Behörde aufgestellten „Bon de deblocage", um weitergeleitet
zu werden. Ein Teil der Produktion war für die Besatzung bestimmt;
jede Woche wurde ein Liefersoll an Fleisch, Käse, Eiern etc. festgesetzt. Die
Stadtverwaltungen standen also vor dem Problem, sowohl den von den Franzosen
auferlegten Liefersoll einzuhalten, als auch gewisse Schichten der Bevölkerung
vor dem Verhungern zu bewahren. Paradoxerweise war die
Versorgungslage 1945 nicht am schlimmsten46, sondern in den Jahren 1946
und 1947, obwohl, wie aus den Berichten klingt, das Maß 1945 schon voll zu
sein schien. Anfangs wurde allerdings eine korrekte Lebensmittelverteilung
durch einen kriegsbedingten Umstand noch erschwert: zu Ende des Krieges
lebten in Lahr und Umgebung eine Gruppe von ausländischen Zivilarbeitern,
die sich in den Bauernhöfen versorgten, manchmal mit Gewalt. Sie wurden
aber am 31. 8. 45 abtransportiert; zur selben Zeit wurden die aus Nordbaden
stammenden Evakuierten veranlaßt, nach Hause zu gehen. Als diese Probleme
— deren Wert damals anders bemessen wurde als aus heutiger Sicht — geregelt
waren, baute sich die französische Besatzungsverwaltung gerade auf: Zivilisten
und ihre Familien richteten sich in Lahr ein. Die zuerst einquartierten
„Tabors marocains" wurden von Fliegern abgelöst47, deren Offiziere sich
bald als ziemlich anspruchsvoll erweisen sollten.

Unter den Faktoren, die die Ernährungslage belasteten und zeitweise zu Spannungen
führten, weil die Deutschen sie als die Hauptursache ihrer Not betrachteten
, spielen die Praktiken der Besatzungsmacht auf lokaler Ebene eine
erhebliche Rolle48. Sehr schnell fehlten einzelne Lebensmittel; einige Wochenberichte
der Stadtverwaltung vermerkten49, nur ein Teil der Ablieferungen
an die Besatzung sei eingehalten worden. Am 1.7. 46 wurden
Hungererscheinungen gemeldet; zwei Wochen später wurde die Ernährungslage
als katastrophal bezeichnet. Am 27. 7. 46 hieß es, die Bevölkerung wünsche
im Bereich der Ernährung wie die anderen Zonen behandelt zu
werden50. Am 7. 5. 48 (vor der Währungsreform) vermerkte der Bericht des
Oberbürgermeisters die „Verbitterung der Bevölkerung wegen Totalbeschlagnahme
von Obst und Gemüse", und die Ernährungsprobleme wurden als unerträglich
bezeichnet. Am 5. 7. 48, nach der Währungsreform, gab es plötzlich
alles, aber ein neues Problem kam zum Vorschein: die Lebensmittel waren für
gewisse Verbrauchergruppen unerschwinglich.

Die Ernährungslage wurde nicht nur in Lahr als problematisch betrachtet. In
allen Zonen war der Winter 46—47 schwer; es kam zu Streiks und Demonstrationen
. Die Besatzungsmächte nahmen diese Probleme übrigens sehr ernst,
auch in der FBZ. Es wurden Importverträge unterzeichnet51, trotz der Zonensperre
gab es für einige Produkte einen Interzonenhandel. Aber wenn diese
Bemühungen überhaupt von der Bevölkerung wahrgenommen wurden, so kamen
sie nicht gegen den psychologischen Tiefstand an; es wurde von „Hungerkrieg
gegen Deutschland" gesprochen. Die Berichte des Kreisdelegierten von

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