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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
68. Jahresband.1988
Seite: 543
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stark nachgewiesen, aber es gibt kein Gebiet, in dem er nicht wenigstens vereinzelt
vorgekommen wäre. Er war auch nicht an eine bestimmte Gesellschaftsschicht
gebunden. Die religiöse Spaltung hat sich auf diesem doch eng
mit einer kirchlichen Einrichtung verbundenen Brauchtum nicht ausgewirkt.
Der katholische Süden kennt zwar den Patenbrief weniger, er wurde dort oft
durch Andachtsbildchen ersetzt. Daß der Patenbrief keineswegs eine evangelische
Angelegenheit war, zeigt sich in der Tatsache, daß das katholische Sudetenland
einen eigenen Typ entwickelt hat.

Dauer des Patenbriefbrauch.es

Hier gibt es landschaftliche Unterschiede. Für Sachsen, Norddeutschland und
das Elsaß, ebenso für das Ried ist die lückenlose Abfolge von 1700 an belegt,
in vereinzelten Fällen noch vor 1600. Ab 1750 ist allgemein ein stärkeres Anwachsen
des Brauches zu verzeichnen, das um 1830 seinen Höhepunkt erreicht
. Von 1850—1860 ist ein immer größeres Nachlassen zu spüren und nach
1900 kommt der Brauch zum Erliegen (im Sudetenland bis zum 2. Weltkrieg,
ebenso in pommerschen Dörfern).

Brauchtum um den Patenbrief

Die brauchtümliche Bedeutung des Patenbriefes ist nirgends fest umrissen. Es
wird ihm im allgemeinen eine besondere Schutzkraft zugeschrieben, zumindest
übernatürliche Kräfte. In den brauchtümlichen Handlungen wird selten
ein Unterschied zwischen Geld und der papierenen Umhüllung gemacht.

Das Überreichen des Patenbriefes sollte vor der Taufe geschehen, „damit das
Kind nicht leer vor Gott erscheine". Der Brief wurde dem Kind unters Kopfkissen
gesteckt, ins Wickelband eingebunden oder auf die Brust gelegt. Der
Brief durfte nicht mit der linken Hand gegeben werden. Beim Uberreichen
wurde in verschiedenen Gegenden Deutschlands gesagt: „Hier hast du das
Deine, laß jedem das Seine!" Das gefaltete Papier wurde fast überall mit rotem
Band umwunden; im Elsaß, in der Lausitz und in Oberschlesien waren es lange
Bänder, die nachher am Himmelbett befestigt wurden, sie durften aber nicht
verknotet werden. Ein versiegelter Patenbrief mußte schnell mit den Zähnen
aufgebrochen werden, am besten über dem Kopf des Kindes. Es durfte nicht
mit dem Messer oder der Schere geschehen, sonst „weicht das Glück von dem
Kinde". Auf dem Wege zum Taufhaus durfte der Pate nicht mehr austreten,
zumindest mußte er den Brief aus der Tasche nehmen oder ihn irgend jemand
anderem übergeben. Die Paten müssen frische Wäsche anziehen, auch die
Münzen sollen gewaschen werden. Der Pate durfte auch nicht über Zäune,
Latten, Leitern oder Treppen steigen, das Kind würde sonst ein „Ladenkledde-
rer" oder mondsüchtig; ebenso durfte er nicht sprechen oder sich umsehen.

Dem einmal geschlossenen Patenbrief darf nichts mehr entnommen werden,
das Kind würde sonst ein Dieb. Der Patentaler soll eine alte seltene Münze

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