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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
69. Jahresband.1989
Seite: 232
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Der Verfasser, der 1934 das Abitur in Sasbach ablegte, hatte Ende der 20er
Jahre und anfangs der 30er Jahre oft Gelegenheit, mit alten Menschen des
Dorfes, die Lender selbst noch erlebt hatten, ins Gespräch zu kommen. Es
war erstaunlich, wie alle Urteile darin übereinstimmten: Lender wollte vieles
— die Pfarrei war damals noch größer, Obersasbach mit seinen großen
Verzweigungen gehörte noch dazu — vieles selbst tun. Kein Weg sei ihm zu
weit gewesen, keine Arbeit zu gering. Er habe sich um alles gekümmert,
man konnte in jedem Anliegen zu ihm kommen. Die Liste der Ratsuchenden
sei unendlich groß gewesen. Lender stand halt mitten im Volk, er sprach seine
Sprache. Seine Predigten waren kurz, aber schlicht und oft zu Herzen gehend
. Das einfache Volk verstand seinen Pfarrer. Die Zuhörer spürten, daß
echt war, was er ihnen sagte. Sein Beichtstuhl war stets umlagert.

Lender konnte in seinem cholerischen Temperament auch hart sein. Und
wenn es nach seiner Meinung notwendig war, konnte er sogar handgreiflich
werden. Man nahm ihm das aber nie übel. Nachtragend war er selber nie.
War etwas vorbei, dann war es auch vergessen — eine sehr gute Seite seines
Charakters. Für Lender war es selbstverständlich, daß Seelsorge ohne Leibsorge
nicht möglich ist. Er kümmerte sich sehr stark um das leibliche Wohl
seiner Schäfchen. Schon in seiner „Rettungsanstalt" in Schwarzach hatte er
bewiesen, daß in ihm ein mitfühlendes Herz schlug. „Bedrängte Familienväter
, deren Gut versteigert werden sollte, und wehrlose Witwen fanden bei
Lender ihre Zuflucht. Wie oft beauftragte der Sasbacher Pfarrer seinen Mesner
, bei einer Versteigerung Vieh, Mobiliar oder gar ein Häuschen zu steigern
, um den armen Leuten, deren Gut unter den Hammer gekommen war,
die Existenz zu sichern"18. Er hatte vielen Bedrängten unter die Arme gegriffen
(der Verfasser hat einige Testamente von Pfarrern des 18. und 19.
Jahrhunderts studiert, die lange Listen von kleinen und großen Darlehen enthielten
), und in seinem Testament bat Lender noch, ja nicht seine Schuldner
zu bedrängen.

Im vorigen Jahrhundert sind oft kleine Bäuerlein und Handwerker Halsabschneidern
in die Hände gefallen, die dann rücksichtslos ihre Opfer vernichteten
. Auch Lender hatte das des öfteren erlebt. Deswegen gründete er einen
Spar- und Vorschußverein „den man nicht zu Unrecht eine Darlehensbank
christlicher Barmherzigkeit genannt hat"19. Seine Leute sollten durch billige
Darlehen von Zinswucher unabhängig werden. Andererseits wollte er
wohlhabende und weniger begüterte Bürger auf gemeinsame Aufgaben verpflichten
. Das Werk sollte durch Selbsthilfe und Selbstverwaltung getragen
werden (Lender selber leitete mehrere Jahre diese Bank). In der Welt erklang
der Kampfruf des Klassenkampfes, in Sasbach sollte Opfergeist und
Gemeinsinn eine Heimat finden. In der Volksbank Sasbach — in die sich
Lenders Werk inzwischen gewandelt hat — hängt heute noch als Dank Lenders
Bild.

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