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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
69. Jahresband.1989
Seite: 451
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des berühmten Trachtendorfes Gutach. Dieser ließ vier Jahre nach Hansjakob
1896 in Zell im Wiesental seine 38 Seiten starke Schrift „Die Erhaltung
der Volkstrachten. Eine Warnung von Richard Nuzinger, Pfarrer in Gutach"
erscheinen. Hansjakobs wirklichkeitsfremder Darstellung weiß Nuzinger
nüchterne Überlegungen entgegenzusetzen. Freilich freut auch er sich an der
Tracht, doch beurteilt er aus einer profunden Kenntnis der Verhältnisse die
Möglichkeiten und die Notwendigkeit der Trachtenerhaltung wesentlich anders
als Hansjakob.

Nach Nuzingers wie Hansjakobs Auffassung ist der Rückgang der Trachten
in erster Linie durch eine vermehrte Freizügigkeit aller Bevölkerungsgruppen
, auch der ländlichen, verursacht. Nur stellt Nuzinger an Hansjakob die
Frage: „Soll die Freizügigkeit etwa aufgehoben oder erschwert werden, die
die Menschen so leicht von einem Ort zum anderen befördert?" Andere
Gründe für den Trachtenschwund sieht Nuzinger darin, daß die Trachten beschwerlich
und unpraktisch, daß sie außerdem in der Anschaffung teuer und
doch nicht ganz so dauerhaft sind, wie Hansjakob glaubt. Das Interesse an
der Trachtenerhaltung stellt Nuzinger daher auch weniger bei den Bauern als
vielmehr bei bestimmten städtischen Kreisen fest. Wenn Hansjakob recht
hätte, dann wären Bauernstand, Kirche, Staat und Gesellschaft nur von der
Erhaltung der Volkstrachten abhängig. Mit solchen Übertreibungen täte man
aber der Sache selbst nicht die besten Dienste. Man könne die Bauern doch
nicht von der kulturellen Entwicklung fernhalten und sich zu deren Vormund
aufspielen. Nuzinger widerspricht Hansjakob entschieden in seiner Meinung
, daß mit der Tracht auch die frühere religiöse Haltung abgelegt werde.
„Wenn die Tracht dazu beiträgt, den Bauer in seinem ,Kirchenschlaf zu erhalten
, so wäre das Verschwinden derselben nicht zu sehr zu bedauern. Die
Religion hat kein Interesse an der Erhaltung der Volkstrachten." Auch politisch
ließe sich der Bauer auf Dauer nicht bevormunden. Für Nuzinger ist
Hansjakobs künstlerischer Aspekt als einziger akzeptabel. Die Maler seien
wirklich an den Trachten interessiert.

Den Trachtenvereinen wirft Nuzinger vor, daß sie keine Wurzeln im ländlichen
Bereich hätten. Als erfreulich erkennt er aber das Sammeln von Trachten
an. Er verdammt zwar nicht prinzipiell die finanzielle Förderung von
Erstkommunikanten, Konfirmanden und Brautleuten bei der Beschaffung ihrer
Trachten durch die Vereine, verspricht sich davon aber auch nicht viel.

Im übrigen findet es Nuzinger einfach anmaßend, den Landleuten sagen zu
wollen, was sie anziehen sollten. Es sei auch noch keinem Verein eingefallen
, „die Narrheiten der Pariser Mode von den Städtern fernhalten (zu)
wollen".

Die vielerlei in Mode gekommenen Trachtenfeste in immer anderen Städten
lehnt Nuzinger gleichfalls ab. Sie seien infolge ihrer Häufigkeit dazu geeig-

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