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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
70. Jahresband.1990
Seite: 382
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nach Nürnberg gewesen sein und daß Grimmelshausen bei einer oder mehreren
Reisen nach Nürnberg bei Herrn von Crailsheim Station gemacht haben
könnte. Im Folgenden soll diese Annahme einerseits verstärkt — was
die Verbindungen der Herren von Crailsheim nach Nürnberg betrifft —, andererseits
abgeschwächt — was eine Reise Grimmelshausens dorthin betrifft
— werden.

Doch zunächst zu der kleinen Schrift, der Scharteke", wie sie Grimmelshausen
mit dem Blick auf ihren geringen Umfang bezeichnet, selbst. Sie
zeigt den Renchener Schultheiß als Vertreter einer zu dieser Zeit noch jungen
Disziplin, der Politikwissenschaft. Er stellt nämlich, in erzählender
Weise, die politischen und militärischen Handlungen des Königs Saul auf
der einen, des Königs David auf der anderen Seite dar, indem er in großen
Zügen den historischen Berichten des Alten Testaments, im wesentlichen
1. Samuel 8—31 und 2. Samuel 3—24, folgt und sie durch einige andere
Quellen wie die Jüdischen Altertümer' des Flavius Josephus ergänzt.13
Die Gesinnungen und Aktionen Davids sollen ein Beispiel für verantwortliche
, ethisch gebundene Politik, sozusagen einen Fürstenspiegel, die
Sauls für verwerfliche Politik vorzeigen. Es tut dem Ingenium Grimmelshausens
keinen Abbruch, wenn man darauf hinweist, daß die Idee, politisches
Handeln am Beispiel biblischer Helden zu demonstrieren, kein
origineller Einfall war. In der Mitte des 17. Jahrhunderts wurde die Krise
der politischen Theorie, wie sie von Aristoteles und seinen späthumanistischen
Nachfolgern gelehrt wurde, auch in Kreisen außerhalb der Fachgelehrten
der Universitäten voll bewußt. Der ,Teutsche Friedensraht', um 1640
von Claus von Schauenburg im Manuskript niedergeschrieben, den Grimmelshausen
1670 im Auftrag Philipp Hannibals von Schauenburg überarbeitete
und mit einem Vorwort seiner Hand versehen zum Druck gab, baute
noch weitgehend auf der Grundlage dieser Regimentslehre, der ,älteren Polizeiliteratur
', auf.14 Inzwischen war Grimmelshausen, der das Feld politischer
Theorien von eigenen Erfahrungen getragen aufmerksam beobachtete
, bewußt geworden, daß sich die politischen Köpfe seiner Zeit von dieser
Politikauffassung lösten. Sie standen unter dem Eindruck der schon am Ende
des vorausgegangenen Jahrhunderts aufgekommenen Lehre von der
Staatsräson — daher der Titel bei Grimmelshausen: ,Ratio Status' — wie
sie Giovanni Botero (1533-1617) am wirkungsvollsten formuliert hatte, im
Bann des politischen Zweckrationalismus, den schon Niccolo Machiavelli
mit seiner Schrift ,11 principe' (1513) auf die Bahn gebracht hatte, und der
zwischen Ethik und politschem Pragmatismus vermittelnden Position von
Justus Lipsius (1547—1606) und seiner Auffassung von der ,prudentia mix-
ta'. Die Auseinandersetzung mit diesen Richtungen und Schulen politischer
Theorie sind in Grimmelshausens kleiner Schrift spürbar. Er reihte sich ein
in die Front derer, die aus Sorge wegen der Entbindung politischen Handelns
aus religiöser Verantwortung und ethischer Rücksichtnahme — darauf

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