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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
70. Jahresband.1990
Seite: 397
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ge Familie so retten zu können, erklärt sie sich zu dieser ihr widerwärtigen
Rolle bereit. Bei der Feier empört sie sich wohl gegen die von ihr verlangte
Gotteslästerung, wodurch sie sich ins Verderben stürzt. Ob sie und auch die
adlige Familie sich retten können, bleibt offen.

, ,Das Mädchen von Oberkirch'': Entstehung und Quellen

Unmittelbare Äußerungen Goethes zu seinem Revolutionsstück liegen uns
nicht vor.36 Vergeblich sucht man danach in seinen Briefen und Tagebüchern
. Nur zwei Einträge in den Tagebüchern, einer vom 24. Februar 1806
und der andere vom 6. Januar 1808, lassen sich auf „Das Mädchen von
Oberkirch" beziehen. In beiden Fällen ist von einem ,,Revolutionsstück"
die Rede.37 Die Notizen geben aber keinerlei Aufschluß über die Entstehung
des Fragments. Roethe kommt zu dem Schluß, daß Goethe den Stoff
nicht aus einer namhaften gedruckten Quelle, sondern höchstens aus Zeitungsangaben
, Almanachanekdoten oder mündlichen Berichten geschöpft
haben kann.38 Die Jubiläumsausgabe erwähnt einen interessanten Eintrag
im Revolutionsalmanach vom Jahre 1795, den Goethe gekannt haben mag:
Einem Zeitungsgerücht nach sei ein schönes Bauernmädchen, das so viel
deutsche Vernunft besaß, sich zu weigern, die französische zu spielen, auf
Befehl der Nationalkommissarien St. Just und Le Bar guillotiniert worden.
Vermutlich habe man hierauf davon abgesehen, die Göttin der Vernunft in
biblischer Gestalt auftreten zu lassen.39 In jener Zeit mag Goethe außerdem
durch eine Weimarer Hofdame, Adelaide von Waiden, von deren Cousine
, einer Frau von Oberkirch, und ihrer Tochter Marie gehört haben, die
im Elsaß lebten und in den Revolutionstagen der Jahre 1789 / 90 viel Leid
erfuhren. Ferner soll im Oktober des Jahres 1793 eine Familie Oberkirch
aus Straßburg verbannt worden sein.40 Diese Angaben führten Annemarie
Noelle dazu, das Schicksal des verurteilten Bauernmädchens und die Erlebnisse
der Aristokratenfamilie im revolutionären Frankreich als die beiden
von Goethe verknüpften Handlungsfäden des Dramas zu bezeichnen.41

Es bleibt offen, ob das Stück seinen Namen von dem gleichnamigen elsässi-
schen Hof, dem badischen Ort Oberkirch oder von der Baronin von Oberkirch
empfangen hat. Aus dieser nicht eindeutig beantwortbaren Frage
ergibt sich für uns die Ambivalenz des von Goethe geplanten Titels ,,Das
Mädchen von Oberkirch." Der unvoreingenommene Leser hätte wohl ein
Drama erwartet, in dessen Mittelpunkt ein Mädchen aus der badischen
Stadt Oberkirch steht.42 Angenommen, es wäre nicht der badische Ort gemeint
, so hätte Goethe in seinem Stück einer offensichtlich bürgerlichen
Figur-Marie ist,, Aufwärterin" - einen adligen Titel ,,von Oberkirch" gegeben
, den wir allenfalls als Ausdruck von Maries innerem Adel deuten könnten
. Aufgrund mangelnder Quellenlage muß dieser Problemkreis aber
weiterhin im Raum stehen bleiben.

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